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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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bevor er den Satz vollendete. »Er ist zu schwach, um weiterzumachen. Heute ist er an derselben Stelle aufgestiegen. Ich - ich hatte das schon befürchtet.«
    »Weil es bedeutet, daß du die Straße nach Osten hinunterlaufen mußt, um Vater Sonne die Kraft zu geben, die er braucht, um wieder weiter nach Norden zu ziehen?«
    Nordlicht senkte .den Kopf. Das schwarze Haar wehte um seine Schultern und tanzte im Wind. Es schien, als atmete er nicht mehr.
    »Ältester?« stieß sie hervor.
    Er bedeckte die Augen mit einer Hand.
    Rehkitz machte einen Schritt auf ihn zu. »Nordlicht?«
    »Ihr heiligen Götter«, sagte er keuchend. »Ich kann es nicht.«
    Rehkitz trat vor ihn und schaute ihm in das schöne Gesicht, das jetzt die Angst verzerrte. »Du bist der größte Sonnenseher, den es je gab. Es gibt nichts, was du nicht tun kannst.«
    »Du verstehst nicht! Ich …« Er blickte scharf nach rechts, als ob er jemandem lausche. Seine Rufe waren mitleiderregend. Schluchzend antwortete er: »Ja, ich weiß. Zum Nutzen aller, es… es muß getan werden.«
    Rehkitz sah auf die Stelle, zu der er gesprochen hatte. Da war nichts. Nicht einmal ein Funken Licht. Beunruhigt sagte sie: »Ich verstehe eines, Ältester, du bist sehr erschöpft. Es schadet nicht, wenn du etwas ausruhst. Komm, leg dich in diese Felsnische. Wenn du geschlafen hast, kannst du versuchen, die Straße hinunterzugehen.« Sie streckte eine Hand aus. »Ich werde dir helfen.«.
    Nordlicht kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. »Ich… ich habe Angst.« »Aber Ältester, du bist die Oststraße schon so oft hinuntergegangen. Ich bin sicher, Vater Sonne -« Er machte plötzlich die Augen weit auf. »Glaubst du wirklich, daß ich böse bin? Hast du das nicht vorhin gedacht?«
    Ihr wurde plötzlich ganz kalt. Sie schluckte. Man erzählte sich, daß Schlafmacher Gedanken lesen können wie Spuren im Schnee, daß man nichts vor ihnen verbergen könne. »Nein, nein, natürlich nicht«, sagte sie. »Ich war nur «
    »Aber du haßt mich.« Mit schräggelegtem Kopf sah er sie unverwandt an.
    Rehkitz spürte ihren rasenden Herzschlag. Sie rettete sich vorsätzlich in eine falsche Deutung. »Du meinst, weil du vor Angst weinst? Nein, Ältester. Hier hätte jedermann Angst, der bei Sinnen ist. Bitte, du wirst dich nur noch mehr ermüden, und Vater Sonne braucht deine Kraft.« Zögernd streckte Nordlicht eine Hand vor und glitt mit ihr unter ihren Truthahnfeder-Umhang, um den gesegneten Bauch zu berühren. Rehkitz erstarrte und wußte nicht, wie sie sich verhalten sollte. Die Hitze in seinen Fingern durchdrang das Kleid und wärmte ihr die Haut. Der offene Umhang flatterte um sie herum.
    »Kostbar«, sagte Nordlicht, als er das Ungeborene streichelte. »So kostbar!«
    »Ältester, ich weiß nicht -«
    Er griff sich an den Magen, keuchend, und beugte sich nach vorn, als müßte er sich übergeben. »O ihr heiligen Götter, laßt das einen anderen tun.«
    »Laß dir helfen! Deswegen bin ich ja hier. Bitte sag mir, was ich tun kann, um dir die Aufgabe Leichterzumachen.«
    Ein merkwürdiger Ausdruck trat in seine Augen, weder Angst noch Reue. Er blickte wie ein Mann, der sich bereit macht, eine unbegreifliche Last auf sich zu nehmen. Er atmete mehrmals tief ein und richtete sich langsam auf.
    Der Windjunge schrie durch den Canyon, und es schien Rehkitz, als könnte sie sogar einzelne Wahnsinnswörter ausmachen. Doch der Windjunge, wie von Sinnen, daß sie nicht verstand, stieß sie hart vorwärts, und sie stolperte weiter.
    Nordlicht stand hochaufgerichtet vor ihr und verstellte ihr den Weg. Er breitete die Arme aus, ließ sie kurz schwingen, umarmte sie dann und zog sie heftig an sich. »Ich möchte dich halten, nur für einen Augenblick. Ich möchte dich ganz nah fühlen.«
    Die Angst ließ ihr Blut schneller fließen. Ein sonderbarer Duft hing in seinem weißen Priesterhemd, moschusartig und herb, wie der Geruch in einer längst verlassenen Höhle.
    »Nordlicht, ich glaube nicht -«
    Er drückte sie noch fester gegen seine Brust. »Bleib stehen. Rühr dich nicht!«
    »Aber Ältester, du tust mir weh. Bitte!«
    Wieder begann er zu schluchzen, so stark und bitterlich, daß es ihn schüttelte. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, und seine Tränen benetzten ihre Schläfen.
    »Ich bitte dich«, sagte er. »Wehr dich nicht. Ich muß diese Sache schnell tun.«
    Seine rechte Hand griff zum Gürtel. Gegen das goldene Licht des Morgens erhaschte sie einen schnellen Blick auf

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