Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille
kalten Augen, sprach: »Sie wurde mit einem Pfeil ins Gesicht geschossen. Ein Mordversuch. Und wer bist du?« Sie musterte die Krieger. »Was machst du hier?« Bei dieser Kommandostimme schaute Eichelhäher auf. So hatte ihn noch nie jemand angesprochen. Er begegnete ihrem Blick, sah in ihren Augen den wachsenden Schrecken, als sie zusehen mußte, wie seine Krieger die kostbarsten Kunstwerke ihres Volkes stahlen. Einer seiner Männer warf einen wunderbaren Topf von der Grünen Mesa zu Boden, wo er zerschellte und seinen Inhalt auf den Boden leerte, den der Krieger fröhlich zusammenschaufelte. »Genug!« befahl Eichelhäher. »Wir haben nur wenig Zeit, bevor jemand Alarm schlägt. Stopft in eure Bündel, was ihr habt, und nehmt diese Leute in eure Mitte. Sie kommen mit uns.«
Er wandte sich an die hochgewachsene Frau. »Und wie heißt du? Und lüg mich nicht an, sonst bist du tot.«
»Ich bin Nachtsonne.« Sie stieß erschrocken die Luft aus und lief vorwärts; Eichelhäher schaute in die Richtung - da wurde Eisenholz, gebunden und geknebelt, von Flughund vorgestoßen. Eichelhäher packte sie am Arm und riß sie zurück. »Und die hier?« Er nickte in Richtung auf einen alten Mann, den seltsamerweise völlig ruhigen Priester und den Jüngling, der ihn mit großen, ungläubigen Augen anstarrte. Der Junge hatte eine Hand in Maisfasers blutgetränktem gelbem Ärmel. Der weißhaarige Älteste mit den tiefen Falten im Gesicht trat vor. »Ich bin Düne, genannt der Heilige Heimatlose. Neben mir ist Nordlicht, der Sonnenseher von Krallenstadt. Der junge Mann ist mein Assistent Sängerling. Maisfaser kennst du offenbar schon. Was willst du von uns, großer Eichelhäher?«
Bei diesem Namen zuckten Nachtsonne und Sängerling zusammen, als hätte man sie ins Gesicht geschlagen. Nordlicht sah nur mit starrem Blick vor sich hin, ein sonderbares Licht glühte in seinen Augen. Er schien weder die Kiva noch die darin wimmelnden Todfeinde zu sehen, sondern blickte in eine andere Welt.
»Wie geht es Maisfaser?« fragte Eichelhäher. Distel hielt ihre Hand. »Bleibt sie am Leben?« »Natürlich bleibt sie am Leben«, sagte Nachtsonne. »Ich habe ihre Wunden selbst versorgt. Jetzt will ich wissen -«
Eisenholz schüttelte den Kopf, und Nachtsonne verstand. Sie warf ihm schnell einen Blick zu. Was immer sie wissen wollte - sie unterdrückte es, aber sie blieb auf Abstand und starrte Eichelhäher feindselig an.
Eichelhäher hob eine Braue. »Sosehr ich auch länger hier verweilen möchte, um die Gastfreundschaft von Krallenstadt zu genießen - ich habe einfach nicht die Zeit dafür. Allerdings freue ich mich jetzt schon darauf, euch alle kennenzulernen. Bei den Gila-Monster-Klippen. Innerhalb der Mauern meines eigenen Dorfs haben wir kaum Unterbrechungen zu fürchten.« Er gestikulierte drohend mit seinem Dolch. »Wer Widerstand leistet oder unseren Marsch aufhalten will, zwingt mich, mein Mißvergnügen an Nachtsonne auszulassen.« Er blickte jedem nacheinander in die Augen, besonders in die von Eisenholz. »Habt ihr verstanden?«
Selbst der Kriegshäuptling nickte.
»Dann auf!« Eichelhäher wandte sich zum Ausgang.
»Häuptling?« fragte Flughund. Sein barbarisches, schmales Gesicht war angespannt. »Was ist mit dem alten Mann? Der kann kaum durch den Raum laufen, geschweige denn den Marsch zu den Gila-Monster-Klippen mitmachen. Soll ich ihn töten?«
»Den heiligen Heimatlosen töten? Nein, mein Freund.« Eichelhäher packte seinen Krieger am Arm. »Der ist viel zu wertvoll für uns. Wir tragen ihn und Maisfaser. Hol dir zwei Leitern draußen. Die benutzen wir als Tragbahren.«
»Ja, mein Häuptling.« Der Mann trabte zur Treppe.
Eichelhäher kniete neben Maisfaser und betrachtete sie ganz genau. In drei Decken eingewickelt, war es ihr sicher warm genug. Ihr Atem ging in schnellen, flachen Stößen, aber anscheinend schlief sie tief. Sehr liebevoll schob Eichelhäher seine Arme unter ihre Schultern und Knie und hob sie hoch. »Heuler? Nimm alle Mann vor mir mit und sieh zu, daß die Plaza sicher ist. Meine Enkeltochter trage ich selbst.«
»Ich verstehe.«
Heuler winkte dem Mann, der Eisenholz festhielt. »Schwarzdorn, wirf deinen Umhang über Eisenholz und schieb ihn als ersten hinaus, für den Fall, daß jemand vor Aufregung schießt, bevor er hinsieht.« »Ja, Kriegshäuptling.« Schwarzdorn nahm seinen schwarzweißen Umhang ab und band ihn Eisenholz um die Schultern. Der große Mann blickte verächtlich, als die
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