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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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ihre Seele verliert ? Habt ihr eine Ahnung, was für eine Verheerung -«
    »Unser Sippensystem wurde geschaffen, nachdem die Ersten Menschen gerade aus den Unterwelten aufgetaucht waren, Singdrossel!« sagte Kräuterblüte streng. »Sollen wir das abschaffen, nur weil es dir unpassend vorkommt?«
    »Nicht unpassend, Kräuterblüte. Gefährlich!«
    Federstein machte ihre trüben alten Augen auf und sah sie an. Sie erinnerte sich, wie sie als Kind auf dem Rücken von Libelle geflogen war und immer mit Ehrfurcht auf den Großen Platz hinuntergeschaut hatte. Kräuterblüte war in ihren Augen immer die Größte der Ältesten gewesen. Sie war immer gütig, immer rücksichtsvoll gegenüber den Niedriggeborenen und eine Seherin von hohem Rang. All die heimatlosen Geister, die zu Kräuterblüte kamen und sie um Hilfe baten, um das Jenseits zu erreichen, verließen sie wieder in freudigster Stimmung. Das wußte Federstein, denn sie hatte oft die Gefühle dieser Geister gespürt, wenn sie an Krallenstadt vorbeizogen. Grelles Sonnenlicht erhellte die weiße Plaza, und Federstein kniff die Augen zu. Die Sklaven waren fortgelaufen. Gemachte Menschen wanderten herum und sammelten mit praktischem Sinn Abfall auf; sie versuchten, ihr Leben wieder in eine Bahn zu bringen. Mehrere Kinder waren als Gefangene weggeschleppt worden, der kleine Krötenjunge vom Bison-Clan, Rotfunke vom Ameisen-Clan; Federstein bangte um sie alle, denn sie erinnerte sich noch, wie der grausame Feuerhund Krumme Lanze sie verletzt hatte.
    »Wir haben schon früher Gefahren getrotzt, Singdrossel«, sagte Kräuterblüte.
    »Aber nie Gefahren von innen. Verstehst du denn nicht: Das« - er deutete auf Federstein - »könnte die größte Gefahr sein, die das Volk des Rechten Wegs je bedroht hat.«
    Federstein runzelte die Stirn. Die Ältesten waren im Morgengrauen nach Krallenstadt gekommen, hatten die durch den Überfall verursachten Schäden besichtigt und dann nach Federstein gerufen. Nun saßen sie hier auf Weidenmatten, Mondglanz zu ihrer Linken, Kräuterblüte rechts von ihr und Singdrossel ihr gegenüber. Nach dem tödlichen Angriff waren sie in Trauer; sie trugen alle lange rote Roben, mit weißen Schärpen gegürtet: Rot im Andenken an das vergossene Blut und Weiß, um den Haß aus ihren kummervollen Herzen zu tilgen.
    Federstein sah sie nacheinander an. Die bucklige Mondglanz strich nervös über den Erdboden der Plaza, ihr Silberhaar wehte im warmen Wind, der durch Krallenstadt fuhr. Tiefe Falten durchzogen ihr Gesicht und erinnerten Federstein an den Kadaver eines im Winter erlegten Bisons, geschrumpft und braun. Mondglanz wußte offenbar nicht genau, was sie von der Sache halten sollte. Die kleine Kräuterblüte, andererseits, sah sehr entschlossen aus; ihre knotigen Finger lagen wie scharfe Krallen auf den Knien. Sie hatte das weiße Haar zu zwei kurzen Zöpfen geflochten. Dauernd blickte sie zu Singdrossel, ihre Augen verrieten, wie wütend sie war. Singdrossel bemerkte das anscheinend nicht. Er starrte unverwandt auf Federstein, wie um ihre Fähigkeiten zu prüfen. Seine Glatze schimmerte golden im Sonnenschein.
    »Federstein?« fragte Singdrossel. »Meinst du, du kannst das schaffen?«
    Sie blinzelte und zog die Stirn in Falten. »Was schaffen?«
    Singdrossel schüttelte den Kopf. »Seht ihr? Was habe ich gesagt? Sie weiß nicht mal, wovon wir sprechen. Wie könnte sie überhaupt -«
    »Federstein?« Kräuterblume tätschelte ihr liebevoll die Wange. »Hör jetzt mal zu, wir haben sehr wichtige Dinge zu besprechen.«
    »Was denn?«
    Mondglanz fuhr sich über die Lippen und beugte sich zu Federstein, als ob ihr durch die Nähe die Sache vielleicht deutlicher werden könnte. »Du, Federstein, bist das letzte weibliche Mitglied einer einstmals großen Familie. Sieben Generationen von Frauen vom Goldaugen-Clan haben über Krallenstadt geherrscht. Wenn Nachtsonne nicht zurückkommt, was ziemlich wahrscheinlich ist, hast du ein Anrecht auf die Stellung der Ehrwürdigen Mutter der Ersten Menschen. Was willst du tun? Glaubst du, du kannst die Herrschaft übernehmen?«
    Federstein lehnte sich zurück; sie war fassungslos. »Ihr heiligen Regengötter«, flüsterte sie. »Ich bin die Nächste in der Folge?«
    »Du bist die Letzte in der Folge, Federstein«, sagte Kräuterblüte freundlich. »Und deshalb glaube ich, daß du trotz aller Gefahren deinen Platz einnehmen solltest.«
    »Na gut«, sagte Singdrossel mürrisch, »sie ist alt. Vielleicht herrscht sie

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