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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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entgegnete Maisfaser. Sie legte ihr ganzes Gewicht in ihre Mahlbewegung. »Er hat wahrscheinlich einfach Hunger.«
    »Raben fliegen in Schwärmen. Der da kommt allein zu dir. Das ist unnatürlich.« Zikade sah Maisfaser von der Seite an. »Hat er etwa mit dir gesprochen?« »Was!« Maisfaser schleuderte ihren Handstein ins Mehl, das rosa aufstaubte und in der Brise kreiselnd niederschwebte. Raben sprachen nur zu Leuten vom Ameisen-Clan, die Hexen oder Zauberer waren. Fassungslos starrte sie Zikade an. »Natürlich nicht.«
    Zikade hob eine Schulter und mahlte weiter. Kurzes schwarzes Haar flatterte ihr über die dicken Backen. »War nur eine Frage.«
    »Ich bin keine Hexe, Zikade. Und du weißt das!«
    Zikade zerschlug die Körner, zerrieb sie dann mit ihrem Handstein und zerschlug weitere. Um schnell das Thema zu wechseln, wies sie mit einer Kopfbewegung auf die grauhaarigen Korbflechterinnen. »Löwenjunge hat mir heute eine Geschichte über die alte Taschenratte erzählt.«
    Taschenratte saß neben Kleeblatt; ihr Kleid, grau-weiß mit Rautenmuster, hing lose um ihre hagere Gestalt. Sie hatte ein vollkommen dreieckiges Gesicht mit einer hervorstechenden Nase und tiefliegende schwarze Augen. Taschenratte hatte nie ein Kind geboren, aber das glich sie dadurch aus, daß sie alle anderen zu erziehen suchte. Als Maisfaser sechs Sommer alt war, hatte Taschenratte sie erwischt, wie sie die zarten jungen Triebe aß. Die alte Frau hatte sich einen toten Kaktusarm ergriffen und ihn Maisfaser den ganzen Weg nach Hause über den Kopf geschlagen. Sie jagte Maisfaser Angst ein - und jedem anderen Kind im Dorf auch.
    »Löwenjunge ist erst fünf. Was weiß der schon?«
    Zikade flüsterte: »Er sagt, einer der jungen Krieger, die Wache standen, hat sie auf dem Friedhof gesehen. Um Mitternacht! Bei Vollmond!«
    Maisfasers Handstein verhielt mitten im Abschwung. »Und was hat sie gemacht?« »Das hat der Krieger nicht gesagt. Aber ich bin sicher, die Alte ist eine Hexe. Sie ist so gemein zu jedem, die muß eine Hexe sein. Weißt du noch, was mit Sandmelone geschehen ist?« Maisfaser befeuchtete sich nervös die Lippen. »Ja.«
    Sandmelone hatte im sechsten Mond eine Fehlgeburt gehabt, und als die Hebammen kamen, um sich um sie zu kümmern, fanden sie das Haus von Sandmelone über und über mit Leichenpulver bestreut. Sandmelone hatte Taschenratte beschuldigt, hatte geschrien, die alte Frau sei die letzte in ihrem Haus gewesen, bevor sie selbst heimgekommen war. Aber es gab keine Beweise.
    Immerhin wurde Taschenratte jetzt sehr genau beobachtet, und wenn man sie auf dem Gräberfeld gesehen hatte… Heilige Thlatsinas! Vielleicht war sie wirklich eine Hexe!
    »Das glaube ich nicht«, sagte Maisfaser. »Die Leute halten mich für eine Hexe, ich bin aber keine.« »Das weiß ich.«
    Maisfaser schob das Mehl vom Mahlstein herunter und schüttete mehr von dem groben Mehl auf den feinen Mahlstein. »Das macht das Wetter, die Leute sind durcheinander.« Sie schlug auf das Mehl ein. »Das Wetter und die Überfälle«, sagte Zikade.
    »Das kommt immer zusammen. Ein Sommer ohne Regen macht alles noch schlimmer. Immer mehr Hexen werden angeklagt und getötet. Aber ich…« Sie senkte den Kopf bei dieser Lästerung. »Ich weiß nicht, ob sie wirklich schuldig sind.«
    Zikade setzte sich auf die Fersen und wischte ihre Mehlhand am Kleidersaum ab. Sie blickte auf Maisfaser. »Aber wer dann?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht… vielleicht die Ersten Menschen in Krallenstadt. Wir schicken ihnen Mais und Töpfe und alles, was wir machen. Und sie sollen dafür mit den Göttern sprechen, damit es regnet. Das sind doch diejenigen, die immer die Kriege anfangen. Und nicht nur das…« Maisfaser beugte sich vor und wisperte: »Ich habe gehört, Häuptling Krähenbart bewahrt Leichenpulver in seinem Zimmer auf, um es gegen seine Feinde zu benutzen. Vielleicht ist er der Zauberer.«
    Zikade setzte die schwarzweiße Schale unter die Mahlsteinplatte und schob das grobe rote Maismehl hinein. Sie biß sich auf die Unterlippe und dachte nach.
    Maisfaser mahlte weiter.
    Es gab zwei Arten von Menschen in der Welt: die Ersten Menschen und die Gemachten Menschen. Die Ersten Menschen waren Nachfahren derer, die sich unter Führung eines blauschwarzen Wolfs tapfer durch die vier Unterwelten nach oben gearbeitet hatten und, aus der Finsternis kommend, in dieser Fünften Welt des Lichts aufgetaucht waren. Alle Ersten Menschen lebten im Canyon des Rechten Wegs.

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