Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille
Rauchs von seinem Lagerfeuer, in den dicken Nadeln gefangen, rollten herum und drehten sich, um einen Ausweg zu finden.
Durch das dichte Gezweig hindurch sah Kreuzdorn die Frühaufsteher unter den Abendleuten. Er gähnte. Er war den ganzen Tag mit kleinen Unterbrechungen gerannt, und die Erschöpfung lag schwer auf seinem hochgewachsenen, mageren Körper. Als der Schlaf sich näherte, schwirrten seine Gedanken wie Mottenflügel im Fackellicht. Wo war sein Weg? Was wollten die Geister von ihm? Er war in die Erste Unterwelt hinabgefahren, und dort hatten ihm die Geister der Ahnen, die da lebten, eine Vision gezeigt. Eine seltsame Vision seines Vaters; er war jung gewesen, mit pechschwarzem Haar und breiten Schultern, er hatte ein reinweißes Hirschleder-Hemd getragen und einen wunderbaren Türkis-Anhänger. Bei den ersten Worten des Mannes hatte Kreuzdorn sofort diese Stimme erkannt, weil sie seiner Stimme so ähnlich war - tief, weich und etwas nachdenklich klingend. Der Wacholder erzitterte unter einer kalten Brise. Kreuzdorn zog die Decke bis zum Kinn. Die graue Glut in seiner Feuergrube, angefacht durch den Wind, verwandelte sich in ein Nest rot blinzelnder Augen. Er betrachtete sie und gähnte noch einmal. Hätte er doch nur verstanden, was ihm sein Vater hatte sagen wollen.
»Gefahren liegen vor dir, mein Sohn. Du mußt das Herz einer Wolke haben, um auf dem Wind zu gehen.«
»Das Herz einer Wolke…«, flüsterte Kreuzdorn. Tiefblaue Wolkenquasten zogen über ihm dahin, die Ränder vom Licht der Sterne ausgefranst. Der Wind schüttelte die Wacholderzweige. Die knorrigen Bäume knirschten und ächzten vor Unmut. »Aber was bedeutet das?«
Seine müde Seele schien sich auf das Drängen des Windjungen zu erheben und von der Luftströmung tragen zu lassen wie Maispollen von lauen Sommerwinden. Die sanfte Stimme seines Vaters glitt in seinen Traum mit der Leichtigkeit eines schleichenden Luchses …
»Hier entlang, mein Sohn. Komm hier entlang.«
Kreuzdorn atmete schwer; es war ihm, als schwebte er und starrte in die schwarzen Augen des jungen Mannes, der ihn durch die erste Unterwelt geleitet hatte. Der Mann beugte sich lächelnd über Kreuzdorn, und sein schönes Gesicht mit der geraden Nase und den großen dunklen Augen leuchtete rötlich im Schein der angefachten Glut. Er trug dasselbe weiße Lederhemd und den herrlichen Türkis-Anhänger. Die Windstöße wehten ihm das lose hängende lange Haar um die breiten Schultern. Seine weißen Mokassins waren kniehoch und schienen in sein langes Hemd überzugehen. Blaue, rote und schwarze Perlen schmückten die Spitzen der Mokassins in einer Zickzacklinie.
»Ich bin sehr froh, dich zu sehen, Vater.« Kreuzdorn rieb sich den Schlaf aus den Augen. Sternenlicht überglänzte die Wacholderbäume, und er erspähte eine Eule, die durch die Dunkelheit aufstieg; sie kreiste über ihm, und dabei blitzten kurz ihre Schwingen kurz auf.
»Steh auf, mein Sohn. Ich muß dir die geheime Stelle zeigen, wo die Wolkenleute ihre Herzen verbergen.«
Kreuzdorn warf die Decke zurück und kam auf die Beine. Sein Vater ging den Hang hinauf bis zum salbeibedeckten Kamm, wo der Wind sein langes Haar peitschte und den Saum seines weißen Hemdes hob. Hoch aufgerichtet stand er schwarz gegen die sternenbesprenkelte Fläche von tiefem Blau. Vorsichtig folgte Kreuzdorn ihm und umging die Steine und die Coyote-Löcher im Hang, die als kopfgroße schwarze Flecken nur schwer auszumachen waren. Er holte seinen Vater ein und betrachtete mit zurückgelegtem Kopf die Spinnenfrau. Sie war bereits bis zur Mitte des Himmels gekrochen. Die drei Sterne, die ihren Rumpf ausmachten, deuteten im Winkel nach Westen, während ihre Beine nach allen Seiten tasteten.
Sein Vater drehte sich zu ihm um. »Bist du bereit, mein Sohn?« »Ich glaube schon. Was habe ich zu tun?«
»Der Weg ist sehr weit. In einem menschlichen Körper kannst du nicht so weit rennen.« »Wie komme ich dann dorthin?«
Sein Vater legte ihm liebevoll die Hand auf die Schulter. »Ich helfe dir. Geh runter auf alle viere.« Kreuzdorn ging auf Hände und Knie hinunter und sah, wie sein Vater dasselbe tat. Als Vierfüßler sahen sie beide seltsam aus. Ein sanftes Lächeln umspielte den Mund seines Vaters; er hob die Hand und kratzte Kreuzdorn im Nacken, als wollte er ihm beißende Flöhe wegwischen.
»Was machst du da, Vater?« Kreuzdorn machte unbehaglich einen Buckel. »Was-« »Lauf jetzt«, wies ihn sein Vater an. »Den Hügel hinab.
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