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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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seine ganze Kraft aus ihm herausgeronnen. »Spannerraupe«, sagte er, bemüht, noch schnell alles zu sagen. »Bin froh … du bist die nächste Gesegnete Sonne … Trauertaube hat es gewußt. Sie … wollte dich als Häuptling. Ich auch. Leider werde ich … nicht da sein.« Mit einem Mal wurde seine Hand gefühllos, die Finger lösten sich, und sein Arm fiel schlaff herab.
    Er fühlte sich wie Distelwolle, davongetragen vom Wind. Eigentlich sollte ich Angst haben. Ein grauer Nebel drang an den Rändern in sein Gesichtsfeld, doch sah er noch, wie der Mund von Spannerraupe sich bewegte. Der Kriegshäuptling sagte bestimmt etwas, aber er konnte nichts hören, nicht einmal den wütenden Wind, der Spannerraupe das Haar um das eckige Kinn peitschte. Eine ungeheure Last senkte sich auf seine Brust. Einen Augenblick lang wurde ihm klar, daß er nicht mehr atmete, und er erschrak, aber gleich darauf ging der Schrecken über in ein Gefühl grenzenloser Ergebenheit. Der Nebel wurde dunkler, und Fichtenzapfen schloß die Augen und ließ sich treiben. Einfach davontreiben …
    Mit klopfendem Herzen kam Spannerraupe unsicher auf die Beine und schaute auf seinen Freund hinab. Er erlaubte sich nur einen kleinen Augenblick, seiner Trauer und dem Gefühl des Verlusts nachzugeben; dann drehte er sich um und lief ins Lager zurück. Das Blut von Fichtenzapfen war noch warm hervorgequollen, aber unter den Windstößen wurde es eiskalt und klebte ihm geronnen an den Fingern.
    Kriecher, noch über Schlangenhaupt gebeugt, sah ihn kommen und stand auf. Blut befleckte sein weißes Hemd. Ein langer roter Streifen lief ihm über den Bauch. Die anderen Ältesten stellten ihre Bemühungen um den Häuptling ein und warteten atemlos auf Spannerraupe.
    Er blieb am Feuer stehen, die Zähne zusammengebissen, mit bebenden Fäusten. »Es war Fichtenzapfen. Er hat Schlangenhaupt erschossen.«
    »Und warum?« fragte Kriecher.
    Krieger drängten um sie herum, betrachteten Schlangenhaupt neugierig und flüsterten miteinander. Der Geruch von Erde war in der Luft.
    »Er sagte, Schlangenhaupt habe uns verraten. Unsere Gesegnete Sonne hat sich mindestens einen Mond lang heimlich mit Eichelhäher getroffen und -«
    Dachsbogen stieß empört den Atem aus und sprang auf. »Mit Eichelhäher? Mit dem Großen Häuptling selbst? Aber das ist Wahnsinn!«
    Spannerraupe spürte in seinem Herzen einen Stich, der ihn bis zu den Fingerspitzen durchlief. Er wußte, Schlangenhaupt war tot, und dabei war er so unsäglich müde, daß er kaum noch fähig war, sich zu konzentrieren, und er überlegte verzweifelt, was jetzt geschehen müßte. Wäre Eisenholz doch nur hier! Er würde wissen, was zu tun wäre, und zusammen hätten sie sicher den richtigen Weg gefunden. Er rieb sich über die Stirn. Du hast nur dich selbst. Du mußt jetzt darüber entscheiden, was geschehen soll… Und die Heiligen Thlatsinas mögen dir beistehen, wenn du einen Fehler machst! Kriecher trat neben Spannerraupe und drückte ihn leicht am Arm. »Wo ist Eichelhäher? Wenn er sich mit Fichtenzapfen getroffen hat -«
    »Eichelhäher« - Spannerraupe holte tief Atem - »hat, wie es scheint, Schlangenhaupt hintergangen. Hat ihn dazu verleitet, die meisten unserer Krieger abzuziehen und ist dann direkt nach Krallenstadt marschiert. Jetzt hat er schon Krallenstadt überfallen und läuft nach Hause.«
    Haßerfüllt starrte Gelbmädchen auf Schlangenhaupt hinab. »Heilige Thlatsinas«, murmelte sie, »vielleicht sind unsere Familien schon tot.«
    »Oder gehen in die Sklaverei«, fügte Dachsbogen hinzu.
    Gelbmädchens Mund verzog sich. Sie war eine muskulöse Frau mit fahler Gesichtsfarbe und schwarzem, kinnlangem Haar. Blanker Haß verzerrte ihr Gesicht. Sie spuckte auf die Leiche von Schlangenhaupt und stand langsam auf. Sie bannte Spannerraupe mit ihrem Blick. »Was sollen wir jetzt tun, Kriegshäuptling?«
    Spannerraupe schluckte. »Wir teilen unsere Truppe.« Er wandte sich um. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich werde versuchen, Eichelhäher den Weg abzuschneiden; du, Kriecher, sorgst dafür, daß die Leichen von Krähenbart und Wolkentanz anständig begraben werden, so daß sie in die Himmelswelten aufsteigen können. Danach muß Schlangenhaupt nach Krallenstadt gebracht werden. Wenn ich dir zwanzig Krieger hierlasse - genügt dir das?«
    Kriecher sah ihm in die Augen. »Es muß genügen. Wenn du vorhast, was ich mir denke, dann brauchst du all die andern.«
    Gelbmädchen trat vor und nickte wissend.

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