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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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dich hergebracht hat. Er hat wirklich geglaubt, daß ich dich töte. Hmm. Aus diesem Grund will ich dir einen guten Rat geben. Du solltest die Verhaltensweisen der Coyoten studieren, Kreuzdorn. Sie sind flink und schlauer, als Menschen glauben. Sie beobachten aus der Entfernung und warten lautlos, bis sie wissen, daß die Zeit zum Handeln gekommen ist. Sei stets schlauer, als die Menschen vermuten. Handle nie, bevor du dir nicht deines Zieles sicher bist.« Schatten füllten ihre Augenhöhlen, die zu großen schwarzen Brunnen wurden. »In den Monden, die kommen, wird es viele geben, die dich einzufangen suchen. Du mußt sehr geschwind sein und sehr schlau, oder aber…« Ein grimmiges Lächeln umspielte ihre Lippen. »Oder aber, Kreuzdorn vom Coyote-Clan, deine Welt wird rings um dich untergehen, wenn du das nächste Mal hierher zurückkommst. Sei bereit, ein Opfer zu bringen. Verstehst du mich?«
    »Ein Opfer?« Er war unsicher, wußte nicht weiter. »So etwas wie zwei Mäuse auf einem Wacholderzweig?«
    Ihr Lächeln schwand.
    »Ich werde viel mehr verlangen als das Thlatsina-Ungeheuer.«
    »Aber woher weiß ich, was ich dir bringen soll?«
    »Du wirst es wissen.«
    Aus der Wassermulde hinter ihr tauchte langsam eine riesige Gestalt auf. Wasser, im Mondlicht glitzernd, überströmte ihren Körper. Kreuzdorn riß die Schnauze auf, als das Geschöpf sich auf alle viere fallen ließ. Es sprang herum und trat aus wie ein tänzelnder Hirsch. Erst als diese Kreatur ihm in die Augen sah, erkannte Kreuzdorn ihr klobiges, verzerrtes Gesicht, überkrustet mit dem rosafarbenen Lehm aus dem heiligen See, wo die Thlatsinas geboren werden.
    Der Schlammkopf!
    Das heilige Wesen breitete die Arme aus und begann zu tanzen. Es wirbelte herum wie ein Blatt im urzeitlichen Wind der Schöpfungstage, das höher und höher schwebt, und das rhythmische Stampfen seiner Füße bestimmte den Herzschlag der Welt.
    Als der Schlammkopf, um sich tretend, wie ein Pfeil stracks auf Kreuzdorns Bauch zuschoß, schrie Kreuzdorn in Todesangst kreischend auf…
    Und fuhr mit einem Ruck aus dem Schlaf hoch; er saß schweißgebadet auf seiner Decke. Er versuchte, die Trübung seiner Augen wegzublinzeln und suchte nach dem sternenbeschienenen Wacholderhain. Die Asche in seiner Feuergrube war weggeblasen worden. Ein Stück Holzkohle lag in dem Steinring, völlig kalt.
    »Ein… ein Traum, den die Macht geschickt hat…«
    Kreuzdorn schaute an sich herunter. Die zitternden Finger seiner rechten Hand hatten sich in dem Gewebe über dem schmerzenden Bauch derart verhakt, daß er sie nur mit großer Anstrengung freimachen konnte. Als er die Hand hob, sah er erschrocken auf das Blut; er verstand das nicht. »Das ist doch nicht möglich!«
    Er warf sein langes braunes Hemd hoch, und die Sterne beleuchteten die flachen Risse auf Magen und Beinen. Entsetzt zog er die Ärmel hoch; mit aufgerissenen Augen starrte er auf die blutigen Kratzer. Als wäre er durch dorniges Gestrüpp gelaufen! … Oder in das stachlige Gewirr toter Wacholderäste in seinem Rücken gerollt.
    Ein Rudel Coyoten fing an zu heulen - ihr Klagelied in der Stille der Nacht. Kreuzdorn biß sich auf die Lippen. Eine Weile lauschte er gespannt diesen klangvollen Tönen, die durch die schlafende Wüste hallten.
    »Ach ja«, seufzte er schließlich, »auch gut. Ich verstehe sowieso kein Wort.«
    Er kuschelte sich wieder in die Wärme seiner weichen, abgenutzten Decken und sah in die Dunkelheit. Sein Blick glitt über den sternenfunkelnden Himmel; immer wieder kam ihm die schöne Frau in der Türkis-Höhle hoch oben in den eisigen Bergen in den Sinn.

6. K APITEL
    Schritte. Noch schwach.
    Distel wandte sich zum ledernen Türvorhang, der die Kälte ein wenig abhielt. Bei dieser Bewegung fiel ihr das starke schwarze Haar über die Schulter und umrahmte ihr feingeschnittenes Gesicht. Sie war dreißig Sommer alt, zehn Handlängen groß und von zarter Gestalt. Sie horchte mit schräggelegtem Kopf.
    Die Schritte kamen langsam den Weg empor, als glitte die Seele ihres Mannes durch eine der Himmelswelten auf der Suche nach Antworten, die er nicht finden konnte. Er setzte die Füße so leicht auf, daß der Kies unter seinen Sandalen kaum knirschte.
    Sie kannte diesen Gang und wußte, was er zu bedeuten hatte. Sie hatte in der letzten Nacht von Yucca-Wurzeln geträumt - eine Warnung vor nahendem Tod. Doch wessen Tod?
    Distel wischte sich die schwitzenden Handflächen am Saum ihres flechtengefärbten gelben

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