Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken
taumelte und umfiel, mit dem Kopf genau auf einen spitzen Stein, der unter dem Schnee verborgen war. Ein stechender Schmerz explodierte in ihrem Kopf, und ihr Mund füllte sich mit warmem Blut. Sie hatte sich bei dem Aufprall in die Zunge gebissen. Kraftlos spuckte sie das Blut in den Schnee.
»Springender Dachs!«, brüllte Pfauenauge zornig. »Das ist Wahnsinn! Sie ist doch noch ein Kind!« Springender Dachs schenkte dem Krieger keinerlei Beachtung. »Setzt dich auf, Kusine! Los, setz dich wieder hin!«
Kaum hatte Zaunkönig sich mühsam hochgerappelt, schlug Springender Dachs abermals zu, noch brutaler als beim ersten Mal, und wieder fiel sie in den Schnee. Übelkeit schnürte ihr die Kehle zu. Ihr Magen drehte sich um, und sie würgte und würgte, bis sie nur noch Galle spuckte. Doch die Krämpfe ließen nicht nach. Ihr Magen revoltierte immer weiter.
Elchgeweih starrte ihren Kriegsführer mit einem Blick an, aus dem abgrundtiefe Verachtung sprach. Eichel und Pfauenauge wandten sich ab, aschfahl im Gesicht.
»Setz dich endlich hin, Kusine!«, brüllte Springender Dachs. »Auf der Stelle!«
Zaunkönig gab sich wirklich alle Mühe, seinem Befehl zu folgen, doch ihre Arme waren inzwischen so schwach wie Grashalme. Sie schaffte es bis zur Hocke, doch dann gaben ihre Arme nach und sie fiel wieder um, in ihr eigenes Erbrochenes.
Wutschnaubend packte Springender Dachs sie an den Haaren und riss sie zu einer sitzenden Position hoch. »Verflucht seist du! Sag mir endlich, wo das Falschgesicht-Kind ist! Irgendwas musst du doch gehört haben. Was sagten die Leute vom Schildkrötenvolk? Wo wollten sie mit dem Jungen hin?« Mit einem viel sagenden Blick hob er einen Stein auf und wog ihn in seiner Hand.
Benommen schüttelte Zaunkönig den Kopf. »Nein, ich…ich weiß nichts …«
Der nächste Schlag kam blitzschnell.
Sie fand sich mit dem Gesicht im Schnee liegend wieder und bekam keine Luft mehr. Mit einem groben Fußtritt drehte Springender Dachs sie auf den Rücken und brüllte wieder auf sie ein, doch seine Stimme klang jetzt wie aus weiter Ferne. Sein Gesicht kam auf sie zu, wurde immer größer und entfernte sich wieder.
»Beim Ruhme unserer Ahnen!«, schrie Elchgeweih außer sich. »Sie ist ein kleines Mädchen, Springender Dachs! Lass sie in Ruhe!«
Eichel kniete sich neben Zaunkönig und half ihr, sich aufzusetzen. Ihr Gehirn tobte, als wollte es ihren Schädel sprengen. Schlaff taumelte ihr Kopf gegen Eichels Schulter.
»Geht es wieder?«, fragte er freundlich.
»Mir ist so… schlecht.«
Springender Dachs holte mit der Faust aus und wollte wieder zuschlagen, doch diesmal packte Elchgeweih ihn am Arm und zog ihn mit einem solchen Ruck zurück, dass Springender Dachs auf dem rutschigen Schnee ins Stolpern geriet. Kaum hatte er sich wieder gefangen, griff er nach seinem Dolch, aber Elchgeweih war schneller. Auf Zehenspitzen und mit ausgebreiteten Armen tänzelte sie um ihn herum - bereit, ihm den eigenen Dolch in die Brust zu stoßen. Aus ihren Augen sprühte der blanke Hass.
»Lass uns diesen Wahnsinn beenden«, sagte sie mit bedrohlich leiser Stimme. »Hier und jetzt. Sofort.« »Es wird mir ein Vergnügen sein, dich zu töten, alte Frau«, erwiderte Springender Dachs grinsend.
»Aufhören!« Es war Eichel, der mit einem Satz zwischen die beiden sprang. »Habt ihr denn den Verstand verloren? Die Hälfte unserer Dorfgemeinschaft ist tot, und jetzt wollt ihr euch auch noch umbringen!«
Ohne Eichels Stütze war Zaunkönig wieder in sich zusammengesackt. Sie lag auf dem Rücken im Schnee und blinzelte hinauf zu den dahinsegelnden Wolkenriesen, die über den Himmel zu tanzen schienen.
Springender Dachs stellte sich mit gespreizten Beinen in Kampfposition. Schweißperlen glänzten auf seiner Oberlippe.
»Du bist ein Dummkopf, Eichel«, sagte er. »Wenn wir nicht herausfinden, wohin diese SchildkrötenLeute das Falschgesicht-Kind bringen wollen, können wir es nie aufspüren und alle, die von unserem Klan noch übrig sind, werden sterben.«
Elchgeweih machte ein paar Schritte nach links, und Springender Dachs wich zurück. »Blauer Rabe hat dir versichert, dass Kleiner Zaunkönig nichts weiß. Wie er sagte, ist er erst gestern mit ihr zusammengetroffen. Was hat es also für einen Sinn, sie zu schlagen?«
»Ich schlage sie, weil sie mehr weiß, als sie zugibt! Das steht doch in ihrem Gesicht geschrieben. Falls Blauer Rabe den Jungen tatsächlich an diese Leute verkauft hat, wo ist dann die Bezahlung,
Weitere Kostenlose Bücher