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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Vergangenheit kann dich mit Haut und Haaren verschlingen. Lass das nicht zu. Erinnere dich an meine… Worte.« »Das werde ich, Onkel. Ich werde mich an alles erinnern, was du mich gelehrt hast.« »Leise!«, rief Elchgeweih. »Ich glaube, Springender Dachs kommt zurück.«
    Rasch warf Elchgeweih ihren Mantel über Blauer Rabe, zog Zaunkönig auf die Füße und zerrte das stolpernde Mädchen hinter sich her auf ihren Platz, zwanzig Hand von Blauer Rabe entfernt. Dort hieß sie Zaunkönig, sich hinzusetzen, band ihr wieder die Beine an den Knöcheln zusammen und marschierte zurück ins Lager…, aber es war nicht Springender Dachs, der aus dem Wald trat - sondern Schildmacher.
    Blauer Rabe hörte Zaunkönig weinen, doch sie klang nicht mehr so verängstigt. Sie würde es schaffen, da war er jetzt ganz zuversichtlich.
    Mit zitternden Händen tastete er über den Boden, bis er einen der Steinsplitter zu fassen bekam, die im Mondlicht glitzerten. Er war etwa so lang wie sein Zeigefinger und hatte eine scharfe Kante. Dann tat er, was er tun musste. Er schlitzte seine Lederhose auf, setzte die Klinge an der großen Ader an, die an der Innenseite seines Oberschenkels entlang lief, und zog sie mit einem Schnitt tief durchs Fleisch.
    Er sah hinauf in den Himmel und beobachtete die Schneeflocken, die tanzend und wirbelnd auf die Erde herab segelten.
    Ein erneuter Schmerzkrampf schlug seine Krallen in sein Innerstes.
    Aber jetzt konnte er die Qualen ertragen. Während sein Blut sich auf den gefrorenen Boden ergoss, überkam ihn ein Gefühl des Friedens.
    Springender Dachs würde nicht das Vergnügen haben, ihn sterben zu sehen oder ihn vor Zaunkönigs Augen zu quälen.
    Seine Beine lagen inzwischen in einer Pfütze heißen Blutes. Er zählte seine Herzschläge. Bei hundert angekommen, begannen die Schmerzen zu schwinden. Bei zweihundert spürte er nichts mehr, nur ein Gefühl der Erleichterung, das ihn sanft durchströmte und ihn etwas benommen machte. Er konnte seine Hände nicht mehr bewegen. Ein Lächeln huschte über seine Lippen.
    So fühlt sich das also an. Die Lider schließend ließ er sich treiben… … bis er sich im Wandererdorf wieder fand. Der Tag brach soeben hinter den Wipfeln der Bäume an und sprenkelte den Dorfplatz mit seinem gelben Licht. Der Duft nach gebratenem Fisch und gekochtem wildem Reis erfüllte die frische Morgenluft - Freude ließ seine Brust schwellen. Er hörte Himmelsbogen lachen, drehte sich um und sah den kleinen Jungen über den Dorfplatz rennen, Gauner auf den Fersen, der ihm fröhlich kläffend folgte. Seine Schwester kam in einigem Abstand gemächlich hinterher geschlendert. Als sie Blauer Rabe bemerkte, blieb sie stehen und lächelte ihm zu. Sie sah Zaunkönig so ähnlich, mit dem schmalen Gesicht und den großen, dunklen Augen. Das lange Haar fiel ihr weit über die Schultern ihres mit Fransen besetzten Lederkleides.
    »Und?«, rief sie ihm zu. »Kommst du mit?«
    Blauer Rabe holte tief Atem. »Ja«, sagte er und ging auf sie zu. »Ich komme.«
    Während Elchgeweih ihrem sterbenden Geliebten die Hand hielt, untersuchte Springender Dachs die Überreste der toten Kinder. Wilde Tiere hatten sich über die kleinen Leichen hergemacht. Als er mit dem Fuß gegen den ausgeweideten Schädel eines Säuglings trat, kullerte der über den Schnee, blieb mit dem Gesicht nach oben liegen und starrte ihn aus leeren Augenhöhlen an.
    Zu seiner Linken gewahrte er Schatten, die durch die Bäume huschten. Er fuhr herum und starrte in die Dunkelheit. Geister tanzten und wirbelten mit fliegenden Haaren umher, die dürren schwarzen Arme in die Luft gereckt.
    »Der Totentanz! Sie führen den Totentanz auf! Für mich!«
    Er spürte ihre Anwesenheit ganz deutlich; kalt und schwer wie das Gewicht von Granitbrocken, die ihm auf die Brust drückten. Kaum dass er noch atmen konnte.
    Wenn er nicht ganz schnell etwas unternahm, würden sie ihn töten! Er musste sich hinknien und mit den Händen auf dem Boden abstützen, so sehr zitterten ihm die Knie.
    Und dort, zwischen seinen gespreizten Fingern, lagen die abgenagten Knochen eines Säuglings, eines kleinen Mädchens. Ein Armband aus Steinperlen umschloss noch ihr winziges Handgelenk. Er tat so, als betrachte er das Armband, während er aus den Augenwinkeln zu seinen Kriegern hinüber schielte. Beschäftigt mit dem Ausrollen ihrer Schlafdecken, mit Feuermachen und vertieft in gemurmelte Unterhaltungen über die Ereignisse des Tages, schenkten sie ihm keinerlei

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