Vox
Nummern schon öfter angerufen, oder?» fragte sie.
«Ein paarmal, aber ohne großen Erfolg. Und bei dieser Nummer hier – 2VOX – hab ich, glaube ich, noch nie angerufen.»
«Was meinst du mit ‹Erfolg›?»
«Keine Frau, bei der es irgendwie gefunkt hätte. Das heißt, ehrlich gesagt, eigentlich überhaupt wenig Frauen, Punkt, bloß die, die der Telefonservice dafür bezahlt, daß sie mechanischen Sex-Smalltalk machen und gelegentlich mal stöhnen. Meistens sind da bloß Männer, die sagen: ‹Hey, irgendwelche Frauen da?› Aber ganz selten ruft auch eine richtige Frau an. Und wenigstens besteht dabei, im Gegensatz zu den Bildern besteht dabei wenigstens entfernt die Möglichkeit, daß es klick macht. Vielleicht ist es anmaßend, wenn ich sage, daß es bei uns, bei dir und mir, klick gemacht hat, aber die Möglichkeit besteht doch.»
«Ja.»
«In gewisser Hinsicht ist es wie beim Radio. Weißt du, daß ich eigentlich noch nie in ein Geschäft gegangen bin und mir eine Platte gekauft habe? Deshalb hab ich wahrscheinlich nie das Ausblenden schätzen gelernt, wie du es beschreibst, denn im Radio geht ein Song in den nächsten über. Aber mir scheint, daß man beim Hören von Popmusik wirklich das Gefühl des Radioglücks braucht, denn schließlich geht’s dabei ja immer darum, daß jemand unter den ganzen Myriaden von Menschen auf der Welt diesen einen anderen netten Menschen trifft, oder wenigstens ein paar akzeptable. Und wenn du die Platte oder die Kassette kaufst, dann hast du die Kontrolle darüber, wann du es hören kannst, wo du doch willst, daß es wie ein Glücksfall ist, wie Schicksal: die Skala auf und ab sausen, auf der Suche nach dem Song, den du hören willst, in der Hoffnung, daß ein Sender ihn spielt – und die Freude, wenn er sich schließlich auf dem Plattenteller dreht, ist so ungeheuer. Du hörst ihn nicht, du belauschst ihn.»
«Andererseits», sagte sie, «wenn dir die Kassette selber gehört, dann zeigst du, daß du zur Selbsterkenntnis fähig bist: du weißt, was du gut findest, du weißt, wie du dich glücklich machen kannst, du schwimmst nicht in dieser Flut von zufälligen Ereignissen, in der passiven Hoffnung, daß der Diskjockey es hinkriegt. Wenn du ein kleines Kind bist und draußen auf dem Balkon in der Sonne stehst, dann denkst du vielleicht: Mannomann, das kommt aber unerwartet gut. Aber später denkst du, ich weiß, ich empfinde ein besonderes Glücksgefühl, wenn ich auf den Balkon gehe und mich auf den Stuhl setze, und dieses Glücksgefühl möchte ich jetzt gleich erfahren.»
«Na gut, und ich hab also die Nummer gewählt, weil die Freuden, für die ich mich entschieden hatte, mir nichts brachten und diese Hoffnung auf Glück da war, daß ich, daß da ein Gespräch stattfinden könnte…»
«Du hast noch immer nicht erzählt, was es mit dieser Klingklang von Disney auf sich hatte, da im Videoladen.»
«Also, in der Szene, die ich da gesehen habe, übrigens die erste aus diesem Disney-Film, die ich überhaupt gesehen habe, und du mußt bedenken, daß ich da in dem Filmladen mit meinen drei orangen Kassetten und meinem Herrenmagazin in der Aktentasche ein bißchen am Schweben bin, in der Szene jedenfalls flitzt Klingklang munter herum, das Xylophon macht bunte Tönchen, und kleine Funkelsternchen bezeichnen ihren Flug, und du denkst, na ja, typisches Märchending, hmhm. Und sie ist ganz winzig, sie ist eine winzige Vorstädterin, ungefähr zehn Zentimeter groß. So eine zerbrechliche, magische, niedliche Disney-Frau. Doch dann passiert’s. Mitten in der Luft hält sie inne, und sie sieht an sich herunter, und sie hat recht kleine Brüste –»
«Ich dachte, du fändest das Wort nicht gut.»
«Stimmt, aber manchmal klingt es richtig. Eigentlich ist es meistens das richtige Wort. Jedenfalls hat sie ganz kleine Brüste, aber ganz breite kleine Hüften und breite kleine Schenkel, und sie hat so eine winzig kleine Kluft an, die zerrissen oder ausgezackt ist und sie gerade so bedeckt, und sie sieht an sich runter, ein süßes kleines schnutiges Gesicht, und sie legte die Hände auf die Hüften, wie um ihren Umfang abzuschätzen, und dann schüttelt sie traurig den Kopf – zu breit, zu breit. Oh, hat mich das aufgegeilt! Der kleine Kobold mit breiten Hüften. Und im nächsten Moment verheddert sie sich in einer Kommodenschublade in einem Knäuel Nähzeug und versucht, durchs Schlüsselloch hinauszufliegen, aber – denkste, ihre Hüften sind zu breit, sie bleibt drin
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