VT01 - Eine Wunde in der Erde
Die wertvollen Aphrodisiaka, die zerstampft auf dem Boden eines Zinnbechers lagen. All die aufgeschlagenen Bettpolster, die zurecht gelegten Fesselriemen und Lederpeitschen, die aus Wakudablasen gefertigten Kondome, die still im Hintergrund wartenden Lustsklaven, die möglicherweise ebenfalls zum Einsatz kommen würden…
Lourdes seufzte. »Geduld, Raffzahn, Geduld. Ich ordne an, dass du bis morgen Mittag so viele Beweise wie möglich ansammelst und sie mir dann vorlegst. Bereite sie so auf, dass auch ich sie mit meinem ungeschulten Verstand verstehen kann.«
»Ich könnte auch heute schon…«
»Willst oder kannst du mich nicht verstehen? Morgen will ich Tatsachen auf dem Tisch liegen haben. Bis dahin möchte ich mir die… Konsequenzen für die Kilmalier überlegen, solltest du Recht behalten.«
Lomboko setzte zu einer weiteren Erwiderung an, überlegte es sich schließlich, verneigte sich knapp und sagte: »Ich… verstehe, was Ihr meint, Mademoiselle. Morgen Mittag werde ich Euch also meine Unterlagen vorlegen.« Er ging rückwärts auf den Ausgang zu, ohne Lourdes aus den Augen zu lassen. »Ich wünsche Euch eine gute Nachtruhe und hoffe, dass Euch die Muse ausgiebig küsst.«
»Das wird sie, Raffzahn, das wird sie…«
***
Die beiden Wächter am Eingang zur großen Wohnhütte, die Fakalusa der hochwohlgeborenen Prinzessin zur Verfügung gestellt hatte, kreuzten ihre Stichwaffen vor Kinga.
Er betrachtete ihre fein manikürten Finger, das narbenlose Fleisch ihrer Oberarme und die Muskulatur ihrer Oberkörper.
Er hatte bloß Verachtung für die Männer über. Es war nicht schwer, sie zu durchschauen. Er übte sich tagtäglich in mehreren Waffengattungen und ritt den Drittwoorm bei jeder Witterung. Diese groß gewachsenen Muskelprotze hingegen hoben in der Abgeschiedenheit ihrer Kasernen Gewichte, um ihre Körper gefällig zu formen. Mit ein paar Hieben, da war er sich sicher, hätte er sie erledigen können. Selbst vor dem senilen Ehemann Sintalas empfand er mehr Respekt als vor den beiden Wächtern.
»Ich wurde von der Prinzessin gebeten, sie in der Abendstunde aufzusuchen«, sagte er. »Wenn sie mich nicht mehr empfangen will, kann ich auch gerne morgen wiederkommen…«
»Bleib da, mein Hübscher!« Eine krumme Gestalt huschte aus dem Vorraum auf die Wachen zu. Chérie, der so genannte »Lakai«. Er schob die Waffen der Soldaten beiseite und führte Kinga am Arm ins Halbdunkel der Hütte.
»Mhm, du hast schöne, straffe Muskeln«, murmelte der Diener. »So geschmeidig, so kräftig. Damit könntest du sicherlich einen Mann von, sagen wir, meiner Statur in die Höhe stemmen?«
»Ich denke schon«, gab Kinga verwirrt zur Antwort.
»Dachte ich mir, dachte ich mir. – Komm weiter. Zieh dein Oberkleid aus, mach’s dir bequem.«
»Die Prinzessin hat mich zu ihr befohlen. Ich möchte nicht als unpünktlich erscheinen…«
»Das hat noch ein paar Augenblicke Zeit, Freund.« Der Alte stellte sich vor ihm hin, musterte ihn von oben bis unten. »Lourdes ist als Herrscherin der Provinz Masaai großen Gefahren ausgesetzt. Mancherlei Unbill droht ihr, und trotz ihres liebreizenden Wesens besitzt sie da und dort Gegner.« Chérie seufzte theatralisch. »Es ist meine Pflicht, jedermann persönlich zu überprüfen, der sich ihr auf mehr als drei Schritte nähert.«
»Ihr traut mir nicht?« Kinga fühlte Ärger in sich hochsteigen. Diese Behandlung war eines Kriegers aus Kilmalie unwürdig.
»Es handelt sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, die nur ein paar Augenblicke in Anspruch nimmt. Spreizt die Beine ein wenig und bleibt ruhig stehen.« Lourdes kniete sich nieder und begann ihn von den Fußfesseln aufwärts abzutasten »Hm… straffes Fleisch. Ein ebenmäßiger Körperbau, wie der eines Gottes. Hast du Schwierigkeiten wegen deiner hellen Hautfarbe? Ja? In manchen Provinzen des Reichs von de Rozier gibt es deswegen Ressentiments. Manch ein Masaai hält viel auf seine Reinrassigkeit, die angeblich auf den Mythos des so genannten ›Tausendjährigen Reichs‹ zurückgeht. De Rozier, unser aller Vater, bekämpft diesen Aberglauben aus gutem Grund, wie du dir sicherlich vorstellen kannst …«
Chérie plapperte munter drauflos, während er Kinga mit seinen Händen da und dort abgriff. Sein Gebrabbel wirkte verwirrend, ließ Kinga kaum einen klaren Gedanken fassen.
»… dieses Messer müsst ihr allerdings hier lassen. Waffen sind in der Gegenwart der Prinzessin verboten, wenn sich kein Wächter in
Weitere Kostenlose Bücher