VT01 - Eine Wunde in der Erde
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Der Mann trat näher. Zögerlich und ängstlich. Wie alle Geschöpfe, die sich der Bedeutung eines Steuerbüttels bewusst waren.
»Setz dich hier hin«, sagte Lomboko. »Darf ich dir eine Schale Wein anbieten, Freund…?«
»Gonho ist mein Name«, sagte der Mann leise. »Ich bin Maelwoorm-Zureiter.«
»Ich erinnere mich an dein Gesicht. Du warst bei der Vorführung heute Morgen dabei, nicht?«
»Ja.« Gonhos Gesicht hellte sich auf. »Sie haben mich bemerkt?«
»Selbstverständlich, mein Bester!« Die Lüge ging ihm leicht von den Lippen. Lomboko sah den Mann das erste Mal in seinem Leben. Das Schauspiel der Reiter und ihrer Maelwoorms war an ihm vorübergegangen. Barbarische Rituale, Heldentum und dergleichen interessierten ihn nicht.
Diese niederen Wesen meinten, dass es die Kraft in ihren Armen war, die die Provinz und das Land regierte. In Wirklichkeit aber war es das Gold in Form von Jeandor-Münzen, waren es Zahlen und Rechenkünste.
Lomboko wartete, bis Gonho die Weinschüssel ausgetrunken hatte – und noch eine weitere. Rote Flecken breiteten sich auf den Wangen des Zureiters aus, und er grinste ein wenig dümmlich.
»Du hast mir etwas zu erzählen?«, fragte der Steuerbüttel mit bemüht ruhiger Stimme. Er kannte die Anzeichen von Unsicherheit bei Gonho. Noch war sich der Mann nicht sicher, ob er den geplanten Verrat tatsächlich durchführen sollte, zweifelte an seinen Motiven. Als Steuerbüttel brauchte man viel Fingerspitzengefühl, um den richtigen Moment zu erwischen.
»Deine Arbeit ist hart«, säuselte Lomboko. »Sie erfordert viele Opfer. Fleiß. Kraft. Hingabe. Entbehrungen.«
»So ist es.« Gonho reichte ihm die Schüssel ein weiteres Mal verlangend hin. »Es ist ein Leben, wie es nur Wenige zu führen vermögen.«
Lomboko schenkte ausgiebig nach und fuhr im lockeren Plauderton fort: »Leistung bleibt unbedankt. Man vollbringt große Dinge, ohne dass sie bemerkt werden. Vieles wird als selbstverständlich angesehen.«
»Genau!« Gonho nickte und klopfte energisch mit der Faust auf den Tisch. »Seit Jahr und Tag hege und pflege ich die Erst- und Zweitwoorms. Zugleich spiele ich den Steigbügelhalter für diese beiden Emporkömmlinge Kinga und Nabuu.«
Da saß also das Problem! Lomboko lächelte in sich hinein. Ein Mann, der sich übergangen fühlte und an dem der Neid nagte, war allemal ein guter Verräter.
Selten gespürte Wärme füllte sein Inneres, während er weiterhin Interesse heuchelte. Gonho musste Dampf ablassen, von seinen lächerlichen Sorgen erzählen. Er benötigte einen aufmerksamen Zuhörer, der ihm das Gefühl gab, mehr zu sein.
»… ich verstehe«, sagte Lomboko nach geraumer Weile. Er stützte das Kinn auf die Hand und tat so, als müsse er überlegen. »Dein … Problem wäre also gelöst, wenn es Kinga und Nabuu nicht mehr gäbe?«
»Sie alle sollen verrecken!«, stieß Gonho erbittert aus. Er sprang hoch, trat zornig gegen den Nachteimer. »Ganz Kilmalie steht in meiner Schuld! Niemals bemerken sie, was ich für die Stadt tue. Alles, was ich mache, wird als selbstverständlich hingenommen…«
Neuerlich verlor sich der Zureiter in Hasstiraden, fluchte und schimpfte über all die Dinge, die er als ungerecht erachtete.
Lomboko ließ den Mann gewähren, bis sich dessen Zorn erschöpfte. »Ich gebe dir vollkommen Recht«, meinte er schließlich. »Aber ich weiß nicht, warum du mit deinen Problemen ausgerechnet zu mir kommst?«
Geschickt hatte Lomboko seinem Gast den richtigen Weg zum Verrat gewiesen. Doch den letzten, entscheidenden Schritt musste Gonho ganz alleine tun.
Das erste Mal, seitdem er den Raum betreten hatte, blickte ihn der Zureiter offen an: »Sie haben große Macht. Sie sind lediglich der Prinzessin unterstellt und besitzen möglicherweise größere Befugnisse als sie. Stimmt’s?«
»Ja«, antwortete Lomboko in aller Bescheidenheit.
»Wenn ich Ihnen ein paar Hinweise über bestimmte Vorgänge im Steuergebaren der Kilmalier verriete – wie würde meine Belohnung aussehen?«
»Sollte es irgendetwas geben, das für meinen Endbericht von Bedeutung ist, dann würde ich dir selbstverständlich Straffreiheit zugestehen.« Es war gut, Informanten ihre Grenzen aufzuzeigen und sie ihrer eigenen Schuld bewusst zu machen. Das verunsicherte sie und verlagerte die Verhandlungsgunst auf die Soll-Seite. Auf seine Seite.
»Das ist kein besonders großzügiges Angebot«, murmelte der Zureiter.
»Solange ich nicht weiß, was du mir anzubieten
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