VT01 - Eine Wunde in der Erde
aller Hingabe seine plötzlich aufkommende Erregtheit.
***
»Es scheint zu funktionieren«, sagte Zhulu leise. Er zog kräftig am Feuerholz und reichte es schließlich weiter.
Nabuu nickte ihm zu, tat selbst einen tiefen Zug und unterdrückte ein Husten. »Ich kann mich nicht erinnern, dass Kinga jemals von einer Frau zurückgewiesen worden wäre.«
»Höre ich da Eifersucht aus deinen Worten?«
Der Triping schnaufte durch die Nase. »Nun – manchmal habe ich ihn um sein Talent im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht beneidet. Aber heute, angesichts dieses hochwohlgeborenen Fettbatzens, bin ich doch froh, dass ich in meiner eigenen Haut stecke.«
Gemeinsam stiegen sie auf den Palisadenzaun hinauf, blickten für lange Zeit schweigend übers Land. Da und dort knackte es. Ungewohnte Hitze und Trockenheit überzog die Ebene vor den Toren Kilmalies seit dem Ende des Sturms. Dort, wo das Pflanzenwerk bereits geerntet worden war, bildeten sich Zackenrisse, die meterweit in die Tiefe reichten. Sie würden die Dämme des angestauten Pangaani-Flusses weiter öffnen müssen, um dringend benötigtes Wasser hier herab zu leiten.
»Das Land ändert sich«, sagte Nabuu. Unbehaglich zog er seinen Fellwanst fester um die Brust.
»Es ändert sich, seitdem ich auf der Welt bin.« Zhulu warf den Rest des Feuerholzes zu Boden und trat die Glut mit einem Fuß aus. »Die Natur hält nichts von Beständigkeit. Sie formt und bildet um. Manchmal langsamer, manchmal schneller.«
Die Maelwoorms schrien in ihren Ställen und warfen sich unruhig gegen die Raumbegrenzungen. Nabuu konnte die unterschiedlichen Stimmen ausmachen. Thotto, Xhusa und Sumbo taten ihr Bestes, um die jüngeren und unerfahrenen Tiere der kleinen Horde zu beruhigen. Aber auch in ihr Gekreische mischten sich Nuancen der Unsicherheit.
»Die Nacht ist freundlicher als die letzten«, sagte Zhulu und deutete auf den aufgehenden Vollmond. Er tat so, als ginge ihn die Unruhe bei den Maelwoorms nichts an.
Ein runder Mond galt seit jeher als Symbol für Frieden und Eintracht. Er symbolisierte eine Vollkommenheit, wie sie im Reich der Menschen so selten vorkam.
»Ich meine, dass es viel zu hell für diese Tageszeit ist«, murmelte Nabuu. »Es geht bereits auf Mitternacht zu, und noch immer liegt ein Schimmer von Tageslicht über dem Land. Besonders…«
Er zog scharf die Luft ein. Deutete auf den Kilmaaro, machte Zhulu auf seine Entdeckung aufmerksam. Malte das Zeichen des Raaven in die Luft, als könnte sie der Schutzheilige Kilmalies vor dem bewahren, was dort, im Hügelland, vor sich ging.
Roter und gelber Glimmer kroch wie eitriger Ausfluss über den Rand des großen Berges. Erste Spuren eines Feuers schlängelten sich bergab, auf die Stadt zu. Und ein bislang nur unterschwellig hörbarer Ton wurde laut und lauter. Er kündete von nahendem Unglück – und vom Tod.
***
Die Dorfsirene, von einer der städtischen Dampfmaschinen angetrieben, riss Kinga aus dem Schlaf. In unzähligen Übungen antrainierte Reflexe sprachen an. Er sprang aus dem Polsterbett der Prinzessin, zog in aller Eile Kittel und Wanst über und hüpfte, während er die Schuhe zuband, zum abgedunkelten Fenster des Raums.
»Komm zurück!«, forderte Lourdes schlaftrunken. »Bis zu den Morgenstunden gehörst du mir ganz alleine.«
»Gleich!« Kinga schob den schweren Vorhang ein Stückchen beiseite und blickte auf den großen Vorplatz der Stadt hinaus.
In geordneter Hektik eilten Männer und Frauen herbei. Sie hielten Fackeln in der Hand; der rote Widerschein zeigte vor Schrecken gezeichnete Gesichter. Der »Große Alarm« befahl jedermann, sich so rasch wie möglich innerhalb der Stadtpalisaden einzufinden. Die Menschen kamen von den weit verstreuten Gehöften, den vereinzelten Außenposten nahe der Stadtgrenzen und auch vom kaum besiedelten Unterland Kilmalies herbei, um sich am Hauptplatz zu sammeln.
Immer wieder deuteten die Menschen nach draußen. Worte wie »Feuerlawine« und »brennendes Gestein« machten die Runde.
»Der Kilmaaro ist ausgebrochen!«, sagte Kinga erschrocken. Er drehte sich weg, eilte zur Prinzessin, rüttelte an ihrer Schulter und weckte sie unsanft.
»Wie kannst du es wagen…«
»Die Stadt ist in Gefahr, meine Prächtige! Ein Feuerstrom ergießt sich vom Kilmaaro herab und nähert sich der Stadt.«
Lourdes rieb sich müde die Augen. »Wie lange, glaubst du, haben wir Zeit, bevor Kilmalie in Gefahr gerät?«
»Eine Stunde…«
Sie griff nach einem silbernen
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