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VT02 - Der gierige Schlund

VT02 - Der gierige Schlund

Titel: VT02 - Der gierige Schlund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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verborgen.
    »Keinesfalls!«, rief Kinga, während er sich am Seil zurück nach oben hangelte. »Wir haben genug Zeit verloren. Wir nehmen den ersten Teil des Abstiegs noch heute in Angriff.« Er wuchtete sich über den Rand der Klippe und sah seine Begleiter nacheinander an. »Irgendwelche Einwände?«
    Niemand sagte ein Wort. Zander grinste sardonisch, als hätte er erreicht, was er wollte.
    Vielleicht war es auch so. Vielleicht hatte Kinga aus reinem Opportunismus, um nur ja nicht der Meinung des Onkels sein zu müssen, entschieden, noch heute den Weg nach unten zu beginnen.
    »Warum suchen wir nicht nach den Spuren der Gruh?«, fragte Limpuna. Sie hielt sich respektvoll im Hintergrund, litt offenbar unter Höhenangst. »Wir sollten nicht einfach drauflos klettern. Diese Bestien kennen sicherlich einen einfachen Abstieg. Schließlich hatten sie Lourdes im Schlepptau.«
    »Ja, Woormreiter«, setzte Zander nach. »Warum willst du aufs Geratewohl hinunter, und ausgerechnet hier? Am gegenüberliegenden Rand der Großen Grube gibt es angeblich mehrere Kamine, die man nutzen kann.«
    »Ich weiß genau, was zu tun ist«, entgegnete Kinga so ruhig wie möglich. »Verlasst euch auf mich.«
    »Wir haben nicht einmal Beweise dafür, dass die Gruh tatsächlich in die Große Grube hinab sind«, fuhr Zander fort.
    »So?« Kinga lächelte. »Ich dachte, die Augen eines Farmers wären besser als die eines Woormreiters?« Er deutete auf niedergetretene Grasbüschel, wenige Meter von ihnen entfernt. »Sie sind hier entlang, haben sich parallel zur Kante bewegt und sind schließlich dort«, – er deutete vage nach links –, »hinabgekrochen.«
    »Hinabgekrochen?!« Zander platzte mit dem einen Wort heraus, vergaß für einen Moment seine Animositäten Kinga gegenüber.
    »So ist es.« Kinga genoss den Moment, sprach bedächtig und weittragend, sodass es alle hören konnten. »Als ich mich abseilte, sah ich weitere Spuren. Kratzer in der Wand. Lehm, in dem Fußabdrücke zu erkennen waren. Sie wiesen hinab in die Grube. Die Körperkräfte der Gruh müssen beachtlich sein, denn diese Wesen krochen mit dem Kopf voran.«
    Es war ein schaler Triumph. Seine Augen, vom vielen Training mit den Maelwoorms geschärft, hatten ihn auf Anhieb kleinste Spuren erkennen lassen. Er hatte sich die Achtung seiner Begleiter zurückgeholt, hatte ihnen bewiesen, dass er ihnen in mancher Hinsicht überlegen war. Andererseits würde sich die Angst vor den Gruh nun weiter steigern. Dämonische Wesen mussten sie sein, die über unglaubliche Kräfte verfügten und denen sie nichts entgegenzusetzen hatten.
    Mit dem Kopf voran…
    Wie war das möglich? Was waren das für Kreaturen, dass sie der Schwerkraft widerstanden und sich wie Kriechtiere fortbewegten?
    Sie vollzogen den Abstieg in bedrückender Stille. Seil um Seil wurde in die Wand gelegt. Kinga las den Fels und legte höchst konzentriert die Route fest, ohne auch nur den geringsten Hauch von Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidungen aufkommen zu lassen. Bedächtig setzte er die wertvollen Sicherungshaken, die Sambui ihm alleine anvertraut hatte.
    Erfahrungen aus frühester Jugend, aus glücklichen Tagen, die er gemeinsam mit seinem Vater im Bergland verbracht hatte, kamen ihm nun zupass. Es war so, als hätte er seinen Lebtag nichts anderes gemacht.
    Irgendwann tauchten sie in die Dunkelheit ein. Kinga fluchte ausgiebig. Er hatte sich verschätzt. Das Licht der Sonne erlosch wesentlich früher, als er es gehofft hatte.
    Ungefähr zwanzig Höhenmeter waren noch zu überbrücken, um den breiten Felssaum unter ihnen zu erreichen. Kalter Schweiß stand auf Kingas Stirn, tropfte in regelmäßigen Abständen an der Schläfe hinab in die Tiefe, während seine Oberarme unter der ungewohnten Anstrengung zu zittern begannen. Die kleinen Kopflampen, von tranigem Fett in einem Gefäß am Hinterkopf gefüttert, gaben nur rudimentäres Licht.
    Wie musste es erst seinen Begleitern ergehen, die weiter oben wie Fleggen in der Wand hingen und auf seine Begehungsarbeit angewiesen waren?
    Ein Schrei, unmenschlich, grässlich, kalt, hallte durch die Grube. Er prallte gegen die Wände, verlor sich zwischen einzeln stehenden Felsnasen, echote vielfach verstärkt wider.
    Kiesel und Geröll bröckelten seitlich von Kinga herab. Pjoost, einer der Drillinge, hatte vor Schrecken seinen Halt verloren. Meterweit rutschte er ab, immer schneller werdend, griff panisch um sich, zog und zerrte an Grasbüscheln und knorrigen

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