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VT02 - Der gierige Schlund

VT02 - Der gierige Schlund

Titel: VT02 - Der gierige Schlund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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bis in diese Tiefe, in der sie sich befanden, hereinpeitschen würde. Aber dem Wasser, das an der Wand herab rann, waren sie wohl hilflos ausgeliefert – wenn sie nicht rasch handelten.
    Mit Bedauern nahm Kinga zwei Dutzend seiner wertvollen Metallhaken zur Hand. »Nehmt beide Enden der Planen, rollt sie zusammen und treibt die Haken durch den aufgerollten Stoff in die Wand.« Er griff nach der ersten Befestigung und zeigte im Licht mehrerer Kopflampen, was er meinte. Säcke entstanden, die an den Seiten offen, aber nach oben hin geschützt waren. Mehrere dieser Gebilde aneinandergereiht ergaben einen sich mehrfach überlappenden Schlauch, in den sie kriechen und ihre Ausrüstung verstauen konnten.
    Kinga stieg als erster in die seltsame Behausung. Er schwankte, fühlte sich auf diesem ungewohnten Untergrund, der einige Zentimeter über dem Gesteinsboden schwebte, äußerst unwohl. Das dick gefettete Gewebe hielt sein Gewicht ohne Probleme.
    Es donnerte. Das Licht eines Blitzes drang für Sekundenbruchteile durch den Stoff des Sackes.
    »Beeilt euch!«, wies er seine Begleiter an. »Wenn ihr eine trockene Nacht erleben wollt, dann kommt zu mir herein.«
    Vorsichtig und schwankend krochen sie nacheinander in die Hängesäcke. Sie alle stanken. Bäche von Schweiß zogen sich über ihre staubigen, müden Gesichter.
    Es blieb kaum Platz für sie und die Rucksäcke. Und dennoch schafften sie es irgendwie, zu einer halbwegs angenehmen Position zu finden. Aneinander und übereinander gekuschelt, mit angezogenen Knien, die stinkenden Füße mehrerer Kameraden vor den Gesichtern.
    An der Oberfläche begannen die Regengötter ihr Werk. Sie brachten starken Wind mit sich, der breite Wasserströme über die Kante der Großen Grube schwappen ließ. Die Ströme prallten wuchtig gegen die Säcke, rannen weiter daran ab in die Tiefe, um sich unterhalb zu einem laut dröhnenden Wasserfall zu formieren.
    Kinga blieb ruhig, wie auch seine Begleiter. Sie alle lauschten der unheimlichen Geräuschkulisse, die aus einer anderen Welt zu stammen schien.
    Dies hier gehörte nicht mehr zu ihrer Heimat, sondern war fremdes, unbekanntes Land.
    Trotz der Umstände fand Kinga schließlich zu unruhigem Schlaf. Ab und zu schreckte er hoch, geweckt vom Gestöhne Pjoosts, der zwischen seinen beiden Brüdern lag und von konzentriertem Johnnesbuurkraut unter Betäubung gehalten wurde.
    Und irgendwann, als der Regen nachließ, hörte er, so wie all seine Kameraden, ein weiteres Mal jenes grässliche Geschrei, dem sie bereits in der Wand ausgesetzt gewesen waren.
    ***
    »Alle Spuren sind also dahin«, sagte Zander, nachdem er sich, so wie sie alle, beim ersten Morgengrauen aus den Säcken befreit hatte. Er biss in eine saftige Speckschwarte und goss reichlich Wasser nach.
    »Es gibt sicherlich weitere Anhaltspunkte«, hielt Kinga ihm schwach entgegen. »Wir müssen sie nur suchen.«
    »Du willst weiter hinab?«, fragte der Onkel. »Die Wand Meter für Meter absuchen? So lange, bis all unsere Vorräte erschöpft sind und uns die Haken ausgehen? Wäre es nicht sinnvoller, den Dorfobersten Bericht zu erstatten und mitzuhelfen, uns auf einen Ansturm der Gruh vorzubereiten?«
    »Weinerliche Worte sind das.« Kinga lächelte. Weniger um seinen Kontrahenten herauszufordern, als seinen anderen Begleitern gegenüber ungebrochene Autorität auszustrahlen. »Die Gruh sind dank ihrer unglaublichen Leibeskräfte beim offenen Kampf im Vorteil. Wir müssen ihre Behausungen finden, unsere höhere Intelligenz nutzen und sie mit einer List schlagen.«
    »Du lügst dir selbst in den Sack!«, rief Zander und spuckte verächtlich vor ihm aus. »Es geht dir gar nicht um Kilmalie, sondern nur um diesen Fettkloß, dem du das Bettlager wärmen durftest.«
    Nur nicht herausfordern lassen…
    »Immerhin sind wir für die Sicherheit der Prinzessin verantwortlich. Ihre Schwester und der Kaiser werden nicht erfreut sein, wenn wir nicht alles zu ihrer Befreiung unternehmen.« Seltsam, wie leicht es ihm fiel, die Beleidigungen seines Onkels zum jetzigen Zeitpunkt zu schlucken. Nun, da die Expedition die ersten Schwierigkeiten überwunden hatte, fügte er sich immer besser in die Rolle des Anführers. Zander mochte ruhig reden; er würde ihm beizeiten die richtige Antwort erteilen.
    Er wandte sich ab. »Wie geht es Pjoost?«, fragte er Sondroj, den Drillingsbruder.
    »Das Kraut wirkt«, gab der grobschrötige Taglöhner zur Antwort. »Die Eiterherde konnten wir ebenfalls ausbrennen. Ich

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