VT04 - Zwischen Leben und Sterben
Eddie?«
Der Deutsche nickte betroffen.
»Siehst du? Auch deswegen habe ich Vorsorge getroffen«, erklärte Charles Poronyoma. »Einer der Männer, die Gott beauftragt hat, eine Rakete mit einem Atomsprengkopf auf mich abzufeuern, wird irgendwann gehorsam sein und den roten Knopf drücken. Ganz gewiss, denn Gott ist allmächtig. Sagt man nicht so?«
Eddie aus Bayern nickte beflissen und zog sich in die Bunkerküche zurück, um abzuwaschen.
Charles Poronyoma blieb seufzend unter dem riesigen Weihnachtsbaum zurück. Bodo, Fred und Willi vergnügten sich längst mit den blonden Mädchen aus der Hauptstadt in ihren Privaträumen. Nyanga war schon vorausgegangen, um in Poronyomas Privatsuite alles für das Ritual vorzubereiten. Die Techniker und Arbeiter waren mit Weiß, dem Chefingenieur, ein Stockwerk nach oben gefahren, um zu tanzen und zu trinken. Nur die drei Jungfrauen saßen noch beim Außenminister am Weihnachtsbaum.
So glücklich Poronyoma auch war, Weihnachten zusammen mit der Einweihung des Bunkers feiern zu können, so schwer war ihm auch ums Herz. »Es gibt kein Entrinnen, versteht ihr?«, wandte er sich mit schwerer Zunge an die drei Mädchen. »Gott sieht jeden von uns, immer! Aber hier unten bin ich wenigstens eine Zeitlang sicher vor ihm. Ihr versteht doch, was ich meine?«
Die Mädchen nickten scheu.
»Gut«, sagte Charles Poronyoma. »Dann wartet jetzt mal hier auf mich.« Er stemmte sich hoch. »Ich komme bald wieder zurück zu euch. Trinkt noch eine Kleinigkeit.«
Er wankte in sein Privatbad, wo Nyanga mit einem Hahn, einer Schüssel und einer Flasche Schnaps auf ihn wartete. Er reichte ihr Fotos und Haare von Gerhard Weiß, seinem Chefingenieur, und von seinen Technikern und Arbeitern. Niemand, der die Lage und den Grundriss des Atombunkers kannte, sollte das kommende Jahr überleben. Auch ein Foto des Präsidenten und einen abgebrochenen Fingernagel von ihm hatte er dabei.
Nach dem Voodooritual wankte er zurück zum Weihnachtsbaum, sang gemeinsam mit den drei jungen Mädchen noch einmal »O du Fröhliche« und zog sich dann mit ihnen in das Schlafgemach seiner Privatsuite zurück.
***
Wassenberg, 28. Mai 2010
»Ein Zwergpudel?« Van der Groot runzelte ungläubig die Stirn.
»Er ist okay.« Knox hatte den kleinen, zweijährigen Zwergpudelrüden aus dem Tierheim. Ein niedliches Tier mit weißem, wuscheligem Fell. Im kleinen Empfangsraum des Großhandels für Aquariumsfische stellte er den Pudel seinem Chef vor.
»Also gut«, sagte van der Groot, während er um Knox und den Hund herumlief und das Tier begutachtete. »Wie du meinst.« Der Pudel winselte, ging neben Knox bei Fuß und leckte seinem neuen Herrn dankbar die Hand, als der sich zu ihm herabbeugte.
»Er heißt ›Schäuble‹«, sagte Knox. »Seine Besitzerin ist Kinderbuchautorin und war so unvorsichtig, eine ihre Figuren Osama Bin Laden zu nennen.« Er machte eine Geste des Bedauerns. »Jetzt wird sie wegen Terrorismusverdacht gesucht und ist nach Moskau geflohen. Dort hat man ihr politisches Asyl gegeben. Sie kommt wohl nicht mehr zurück.«
»Umso besser.« Noch immer drehte van der Groot seine Runden um Knox und den Hund. In Gedanken schätzte er das Gewicht des Tieres und bestimmte die Dosis. »Und er ist dressiert?«
»Er war in der Hundeschule.« Knox forderte Schäuble auf, Pfötchen zu geben. Schäuble gab Pfötchen. Knox warf seinen Autoschlüssel samt Maulwurfanhänger hinter die Rezeptionstheke und befahl Schäuble, ihn zu holen. Schäuble sprang eifrig hinter den Tresen und brachte den Schlüssel. Knox sagte »Sitz!«, und Schäuble setzte sich auf die Hinterläufe.
»Gute Wahl.« Van der Groot nickte anerkennend. »Doch…«
»Wenn es schief geht, kann ich ihn präparieren«, sagte Knox. »Das Fernsehen kauft hin und wieder ausgestopfte Hunde. Pudel sowieso.«
»Es geht nicht schief.« Van der Groot wandte sich zur Hallentür und winkte Knox hinter sich her. »Fangen wir gleich an.«
In der Halle war es warm und feucht. Es roch nach Fischfutter. In den Regalen an den Wänden standen etwa neunzig Aquarien mit jungen Kugelfischen. In zehn großen Bassins schwammen zu dieser Zeit hundertsechzig ausgewachsene Exemplare. Lupo fütterte sie gerade. Van der Groot hatte ihm die Pflege der Tiere anvertraut.
»Nimm den Pudel an die Leine!«, rief der zierliche Kahlkopf erschrocken, als er Knox mit dem weißen Tier hinter van der Groot die Halle betreten sah. »Sagen Sie ihm, dass er den Hund an die Leine nehmen soll,
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