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VT04 - Zwischen Leben und Sterben

VT04 - Zwischen Leben und Sterben

Titel: VT04 - Zwischen Leben und Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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schrägen Vögeln ertappen zu lassen, war schlimm genug. Dass er sein Handy verloren hatte, war unverzeihlich. Wenn sie dem Mädchen etwas angetan haben sollten, würde er sich das niemals verzeihen.
    Andererseits – es gab so vieles, was er sich nicht verzeihen konnte.
    Draußen begann ein Bass zu singen.
    Carlo – Percival kannte seine Stimme von den Firegod-CDs, die er im Laufe seiner Recherchen schon gehört hatte. Das Zeug, was der Frontmann der Firegods da draußen sang, klang nach primitivstem Satanismus; eine Neuauflage des gröbsten Black Metall aus den neunziger Jahren.
    Dagegen waren diese halbnackten Walküren, diese Witches of Your Majesty die reinste Avantgarde gewesen. Davon abgesehen klang Carlos Text strafrechtlich relevant. Aufruf zur Brandstiftung, tippte der Journalist. Vielleicht sogar Anstiftung zum Mord oder zu terroristischen Aktionen.
    Mit Mühe gelang es ihm, sein altes Diktaphon aus der Außentasche seines Trenchcoats zu angeln und einzuschalten. Mit der Mikrofonfront voran schob er es ein Stück aus dem Griffschlitz. Eine Frauenstimme begann den Songtext auf Deutsch zu rezitieren. Besser als gar nichts. Draußen stapfte irgendjemand vorbei und lief in die Halle.
    Als Percival das Diktiergerät wieder aus dem Schlitz nahm, sah er, dass der Weißhaarige, den sie »Goofy« nannten, nicht mehr bei Goldschädel und Hirnfresser stand.
    Die Halle war gerammelt voll, Percival hörte Pfiffe und Schmährufe. Es wurde immer unruhiger. Viel konnte er nicht erkennen, doch die Menge wogte an manchen Stellen hin und her. Prügelten sie sich da draußen? Das würde zu allem passen, was er bisher mitbekommen hatte. Und es passte auch zu den giftigen Statements, die Carlo von der Bühne brüllte.
    Irgendwann drückten sie von der Halle aus die Tür zu. Nun wurde es richtig dunkel, und Percival sah gar nichts mehr durch den Griffschlitz. In der Halle hörte er Explosionen wie von Feuerwerkskörpern.
    Er lauschte. Geschrei und dumpfes Krachen mischten sich in die Musik und die Stimme des Frontmanns. Plötzlich wurde es wieder ein wenig heller außerhalb des Kastens. Geschrei brandete in den Gang, Menschen rannten in Panik an Percivals Deckung vorbei. Es roch plötzlich nach Rauch.
    Er drückte den Deckel des Kastens nach oben, polternd fiel er auf den Boden. Niemand beachtete ihn, als er sich aus dem Kasten stemmte. Die Menge rannte schreiend zum Seitenausgang. Keuchend fiel Percival auf den Kastendeckel. Er richtete sich auf und erstarrte: In der Halle brannte es!
    Panik ergriff nun auch den Journalisten. Er sprang auf und schob sich zwischen Turngeräten und Wand dem Seitenausgang entgegen. Dort warf er sich in die Menge und ließ sich nach draußen treiben.
    Gebrüll, Geheule und atemloses Keuchen umgaben ihn. Erst auf dem Parkplatz zerstreute sich die panische Menge ein wenig. Jemand packte ihn von hinten an der Schulter und riss ihn zurück.
    Percival fuhr herum – der weißhaarige Goofy stand hinter ihm. Eine Messerklinge blitzte in seiner Faust auf. Percival duckte sich und entging dem Stich um Haaresbreite. Er packte den Arm des Angreifers, verlängerte dessen kraftvolle Bewegung in die Stoßrichtung, und als Goofy bäuchlings auf dem Asphalt lag, rammte er ihm seine Stiefelspitze mit solcher Wucht in den Hals, dass der andere sich seufzend zusammenkrümmte.
    Percival floh auf den Parkplatz und ging zwischen einem Jeep und einem Kleinbus in Deckung, beide schwarz. Dort schnappte er erst einmal nach Luft.
    Überall auf dem nächtlichen Parkplatz rissen Menschen Wagentüren auf, überall sprangen Motoren an. An den Ausfahrten des Parkplatzes stauten sich die Fahrzeuge.
    Als Percival Minuten später die Warnsignale von Einsatzfahrzeugen hörte, erhob er sich aus seiner Deckung und ging zu dem Asphaltweg, der zur Straße führte. Er zwang sich zu einem gelassenen Schritt; seinen Hut hatte er längst abgenommen.
    Unbehelligt erreichte er die Einmündung der Zufahrt in die Straße. Er atmete auf. Als er auf den Bürgersteig einbog, stieß er mit einem Mann zusammen. »Excuse me, Sir«, entfuhr es ihm.
    Einen Augenblick sah er in ein schmales, hohlwangiges Männergesicht mit hoher Stirn. Der Mann schnitt eine mürrische Miene. Er war Mitte vierzig, trug eine runde Brille und hatte schulterlanges, lockiges Haar, dunkelblond.
    Nicht mein Tag, dachte Percival, als er weiter wankte.
    Auf einmal glaubte er das Gesicht des Mannes schon irgendwo gesehen zu haben. Er blieb stehen und drehte sich um. Der Mann war

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