VT08 - Anti-Serum
Augenblick außer Reichweite befand. De Fouché wusste um die Schwächen, die das politische System der Wolkenstädte in Krisenzeiten offenbarte. Dass er in Goodefroots Gegenwart nicht darauf hingewiesen hatte, hatte nur einen Grund – ihm war es ebenfalls ganz recht, wenn die fette, launische Schwester der Prinzessin vorerst von allen Entscheidungen ausgeschlossen blieb. So kam de Fouché seinem Ziel, den Adel in Orleans-à-l’Hauteur und vielleicht eines Tages auch in Wimereux zu entmachten, wieder ein Stück näher…
Allein das wäre für Goodefroot ein Grund gewesen, Prinzessin Antoinette doch zu unterrichten. Sie konnte zu einer wichtigen Verbündeten gegen de Fouché werden…
Andererseits bekam er allein schon Kopfschmerzen, wenn er sich
vorstellte,
wie er gemeinsam mit ihr die Verteidigungsstrategie für die Dörfer Ribe und Muhnzipal neu entwarf.
Abermals überkam ihn tiefe Wehmut, dass ausgerechnet Prinzessin Marie in diesem entscheidenden Augenblick nicht zugegen war.
»Kanzler?«
Goodefroot schrak auf. Es war erneut der Gardist, der sich ihm diesmal unbemerkt genähert hatte.
»Was ist noch?«
»Verzeiht, Kanzler. Doktor Aksela wartet bereits im Beratungssaal.«
Goodefroot folgte dem Gardisten in den Saal, wo eine schlanke, ältere Frau auf ihn wartete, die ein freundliches, aber nichtsdestotrotz distanziertes Lächeln auf den Lippen trug. Bei seinem Eintreten stand sie auf und reichte ihm die Hand. »Es freut mich, dass Sie Zeit für mich erübrigen können, Kanzler. Ich bin Doktor Aksela. Ihre Gardisten sagten mir bereits, dass Prinzessin Marie zurzeit… nicht abkömmlich sei. Trotzdem sollten wir unbedingt miteinander sprechen.«
»Äh, ja… Setzen wir uns doch.«
Goodefroot wartete, bis Aksela Platz genommen hatte, dann ließ er sich ihr gegenüber am Konferenztisch nieder. Neugierig betrachtete er die Ärztin. Ihre Distanziertheit mochte der Situation geschuldet sein. Eigentlich wirkte sie überhaupt nicht gefühlskalt auf ihn. Nur bestimmt und willensstark. Sie könnte die Mutter von Marie sein, schoss ihm ein alberner Gedanke durch den Kopf.
Doktor Aksela beugte sich vor. »Was ich zu sagen habe, ist von eminenter Wichtigkeit. Wie ihr wisst, sind die Dörfer rund um den Kilmaaro vor einigen Wochen Opfer eines schlimmen Ausbruchs geworden, der jedoch nicht nur Lava zu Tage gefördert hat, sondern auch noch einen anderen Feind, der menschenähnlich zu sein scheint und dennoch nach ganz anderen biologischen und vor allem moralischen Grundsätzen zu leben scheint.«
»Die Gruh…«, flüsterte Goodefroot.
»Sehr richtig, die Gruh. In Wimereux-à-l’Hauteur hatten wir Gelegenheit, eines dieser Wesen zu untersuchen. Zu unserem Leidwesen war die Kreatur bereits tot. Oder zu unserem Glück, je nachdem, wie man es betrachtet. Die Untersuchungen am Leichnam der Kreatur wurden von Doktor Leguma vorgenommen.«
Goodefroot nickte langsam. Der Name Leguma war selbst ihm nicht unbekannt. Es hatte sich um den wichtigsten Arzt am Hof des Kaisers gehandelte, ein brillanter Mediziner und Forscher. »Ich hörte von seinem Tod. Die Umstände waren… ungewöhnlich?«
»Doktor Leguma hat sich vor meinen Augen in einen Gruh verwandelt und versucht, mich umzubringen. Ein Soldat musste ihm erst den Kopf abschlagen, weil Leguma gegen alle anderen Verwundungen unempfindlich geworden war.«
»Das muss ein furchtbares Erlebnis für euch gewesen sein.«
»Deshalb bin ich nicht hier, verehrter Kanzler. Ich bin hier, weil der Tod von Doktor Leguma uns erste Indizien dafür geliefert hat, dass es sich bei den Gruh einstmals um Menschen gehandelt hat. Zwar hat ihre Haut eine seltsame aschgraue Färbung, und sie sehen auch sonst im wahrsten Sinne des Wortes krank aus, aber das mag zu einem Teil daran liegen, dass sie offenbar Jahrzehnte, wenn nicht noch länger, unter der Erdoberfläche gelebt haben.«
Goodefroot räusperte sich. »Ich weiß trotzdem nicht, was das alles…«
»Wir haben nicht viel Zeit, Kanzler. Höre er mir deshalb bitte einfach nur zu. Doktor Legumas Verwandlung lässt darauf schließen, dass, was immer dafür verantwortlich zeichnet, auf andere Menschen übertragbar ist. Die Untersuchung weiterer Opfer aus den Dörfern deutet darauf hin, dass dazu Blut oder eine andere Körperflüssigkeit der Gruh in eine offene Wunde gelangen muss. Wir konnten keinen Krankheitserreger ausmachen und vermuten daher, dass eine Substanz, die in hoher Konzentration im Körper der Gruh vorhanden sein muss,
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