VT11 - Flammender Himmel
einnehmen.
Tala kam sich mit einem Mal selbst lächerlich vor. Wem machte sie hier eigentlich etwas vor? Hätten die Gardisten nicht de Fouchés Zorn zu fürchten, wären sie längst umgekehrt und hätten sie im Stich gelassen. Doch sie hatten einen Auftrag des Sonderbeauftragten für Militärisches zu erfüllen: Sie sollten bei ihrem Vorstoß Sprengladungen in den Höhlen der Gruh anbringen.
Ihr Blick fiel wieder auf Nabuu, der teilnahmslos vor sich hinstarrend an dem Felsen lehnte, an den sie ihn gesetzt hatte. Bei seinem Anblick fühlte sie sich plötzlich schuldig, die Expedition in Gedanken schon verloren zu geben. Sie mussten zu diesem geheimnisvollen Gruhherrscher vorstoßen – die Chance, dass er ein Heilmittel gegen diese fürchterliche Krankheit hatte, wie Nabuu es in einem klaren Moment behauptet hatte, war zumindest hoch genug, um jedes Risiko auf sich zu nehmen. Wer wusste schon, wann Prinzessin Marie wieder stark genug sein würde, dass die führende Ärztin auf Orleans-à-l’Hauteur deren Blut für weitere Forschungen verwenden konnte?
Bisher konnte das von Dr. Aksela entwickelte Serum die Gruh-Krankheit nur aufhalten, aber nicht heilen. Ein wirkliches Mittel konnte nur aus Maries Blut gewonnen werden, da die Prinzessin die einzige bekannte Person war, die sich gegen den körperlichen Verfall als immun erwiesen hatte.
Doch die Heilerin hatte Tala keine Hoffnungen gemacht – Wochen konnte es dauern, bis die Prinzessin sich von ihren Verletzungen so weit wieder erholt hatte, dass sie als Spenderin von größeren Mengen Blut in Frage kam. Also, dachte Tala kämpferisch. Auf in die Höhle des Lioon, und das so rasch wie möglich, bevor es hier wieder von Gruh nur so wimmelt!
***
Einige Tage zuvor
Irgendwo in der Weite der kaiserlichen Felder, ein paar Stunden Fußweg von den Waldgebieten am Kilmaaro entfernt, lag das Dorf Kilmalie.
Bis vor wenigen Monaten hatte hier lautes, farbenfrohes Leben pulsiert. Es endete mit dem Auftauchen der Gruh, die alles niedermachten, was sich bewegte. Als das letzte pochende Herz verstummt und das letzte Hirn verspeist war, zogen sie weiter. Nichts blieb zurück außer dem Schweigen des Todes.
Die Gruh beschränkten ihre mörderische Nahrungssuche auf die Siedlungen in der Ebene. Sie wussten nichts von kwaBulawayo, dem Banzulu-Dorf an den bewaldeten Hängen des Kilmaaro – und die Menschen dort wussten lange nichts von ihnen. Fürst Ngomane hatte nur deshalb einen Boten nach Kilmalie entsandt, weil die erwarteten Kornhändler nicht gekommen waren und er befürchtete, sie könnten dem Vulkanausbruch zum Opfer gefallen sein.
Der Fürst war auf Ulungu-Jagd gewesen, als sein Bote Adeyemo heimkehrte. Die beiden verpassten sich, denn Adeyemo brach kurz nach seiner Ankunft in kwaBulawayo ein zweites Mal auf. Ein junges Banzulu-Mädchen war im nahe gelegenen Wald ohne Namen verschwunden, und die Geisterfrau hatte Visionen von einem gefährlichen Fremden gehabt. Adeyemo sollte ihn aufhalten.[1]
Ngomane hörte von der Lage in Kilmalie, misstraute den Berichten aber, weil es Informationen aus zweiter Hand waren. Er wollte nicht warten, bis Adeyemo zurück kam und sie bestätigte. Deshalb ging er selbst nach Kilmalie, um sich ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Was er fand, übertraf jede noch so pessimistische Erwartung.
Ich musste es mit eigenen Augen sehen, sonst hätte ich es nie geglaubt, dachte der Banzulu-Fürst.
Er war auf der Flucht, rannte durch den Weizen zurück in Richtung Berge. Die Sonne stach wie ein Bündel Feuerspeere auf ihn herab, erhitzte den staubigen Feldweg unter seinen Fußsohlen und trieb glitzernden Schweiß auf seine Stirn. Selbst der Wind war heiß. Umso magischer erschien Ngomane der Anblick des Ewigen, wie er hoch über dem Dunst des Flachlands thronte. Man erwartete es nicht in der brütenden Hitze Afras, und doch waren die Gipfel des Kilmaaro schneebedeckt und eisig kalt.
»Wir werden sterben«, hörte Ngomane Nandis Stimme an seinem Ohr. Er hatte das Kind in Kilmalie gefunden, ein kleines Mädchen, das als Einzige den Angriff der Hirnfresser in einen Maelwoormstall überlebt hatte, versteckt unter der Streu und dem zunehmend stinkenden, faulenden Kadaver eines Woorms. Jetzt saß sie auf Ngomanes Rücken, ihre dünnen Arme um den Hals des Fürsten geschlungen, und ließ sich in Sicherheit tragen.
»Wir sterben nicht«, sagte der Banzulu. Er sprach durch die Zähne, presste seine Lippen gleich wieder zusammen. Grund dafür
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