Vulkanpark
hätte man in früheren Zeiten als Pilzkopf
bezeichnet, heutzutage wirkte sie reichlich unmodern. Franca fiel jedes Mal
auf, dass Hansen offenbar ein Faible für ausgefallene Schuhe hatte. Heute trug
er kamelfarbene Boots.
»Ausschließen,
dass Timo in der Gartenlaube übernachtet hat, würde ich nicht unbedingt.« Roger
Brock war inzwischen, wie alle anderen auch, von der Mutmaßung abgewichen,
Lomack könnte etwas mit dem Verschwinden des Jungen zu tun haben. Zur Tatzeit
hatte er in einer Kneipe gesessen, wo er sich volllaufen ließ. Das hatten nicht
nur der Wirt des Lokals bestätigt, sondern auch einige Gäste.
»Das
Fahrrad war neu, es war schon spät, Timos Licht funktionierte nicht. Es ist
denkbar, dass er sich schuldig fühlte und sich nicht mehr nach Hause traute,
weil er Strafe fürchtete«, fuhr Brock fort. »Dafür würde sprechen, dass eine
der Sonnenliegen als Nachtlager benutzt wurde und außer ein paar Lebensmitteln
nichts geklaut wurde.«
»Das
glaub ich nicht.« Franca schüttelte nachdenklich den Kopf. »Wo soll er denn
jetzt sein? Und warum lässt er das Fahrrad dort stehen? Das war ja nicht
fahruntüchtig.«
»Ich
bleibe bei der Theorie, dass ein Herumstreuner das Fahrrad gefunden hat, damit
losgefahren ist und sich in der Laube eine Bleibe für die Nacht gesucht hat«,
sagte Hinterhuber. »Dafür spricht auch, dass Lebensmittel fehlen. Als er
mitbekommen hat, dass wir nach dem Rad suchen, hat er kalte Füße bekommen und
ist abgehauen. Weil er auf gar keinen Fall was mit der Polizei zu tun haben
will.«
»Wollt
ihr denn gar nichts weiter über unsere Ergebnisse wissen?«, meldete sich
Frankenstein erneut zu Wort.
»Bitte«,
forderte Franca ihn auf.
»Ja,
meine Leute waren ziemlich tüchtig.« Frankenstein grinste vielsagend. Es war
offensichtlich, dass er förmlich auf diesen Moment gewartet hatte. »Es handelt
sich um einen silberfarbenen Golf.«
»Wisst
ihr, wie viele silberfarbene VW-Golf auf Deutschlands Straßen unterwegs sind?«,
äußerte Brock skeptisch.
»Dass
wir immer wieder unterschätzt werden.« Frankenstein bleckte sein strahlend
weißes Gebiss und sah triumphierend von einem zum anderen. »Wir haben ihn
natürlich gefunden.«
»Was?«
Sämtliche Augenpaare waren auf den Kriminaltechniker gerichtet.
Frankenstein
ließ seine Worte noch ein klein wenig wirken, bevor er fortfuhr. »Ein PKW aus
Mendig. Gestern hat sich der Besitzer gemeldet. Er war verreist, das Auto stand
mehrere Tage unbeobachtet am Straßenrand. Der hat sich vielleicht die Augen
gerieben, als er nach Hause kam und sein Auto an anderer Stelle vorfand, also
nicht genau dort, wo er es abgestellt hatte, aber in der Nähe. Es war
aufgebrochen und wies geringfügige Spuren eines Unfalls auf. Da es sich um
einen silberfarbenen Golf handelt, haben wir sofort reagiert. Jetzt ist er in
der KTU und wird dort nach allen Regeln der Kunst untersucht. Sollte mich
schwer wundern, wenn die nichts finden.«
»Sehr
gut, Herr Stein!«, lobte der Staatsanwalt.
Frankenstein
fuhr in sachlichem Ton fort: »Meine Leute arbeiten wie blöd. Es gibt keinen,
dem das Schicksal dieses kleinen Jungen nicht zu Herzen geht. Ihr werdet sehen,
es dauert nicht mehr lang und wir können denjenigen zur Rechenschaft ziehen,
der dafür verantwortlich ist.«
»Ich
wünsche mir so sehr, dass du recht hast«, erwiderte Franca inständig.
23
Barbara Sielacks stand im
Garten ihres Hauses, der langsam verwilderte. Sie nahm weder den strahlend
blauen Himmel noch das Schattenmuster der Blätter des Kirschbaums wahr, das die
Sonne auf den vertrockneten Rasen malte. Nichts war mehr wichtig. Früher hatte
ihr der Garten alles bedeutet. Sie hatte stets üppige Blumenarrangements
gepflanzt, das Unkraut regelmäßig gejätet und die reifen Früchte und das Gemüse
geerntet und verarbeitet. Doch jetzt war alles anders. In Haus und Garten war
es still. Die Welt hatte einen Riss bekommen, und sie wusste nicht, ob dieser
jemals zu flicken war. Durch diesen Riss war ihr Sohn hindurchgefallen. Hinaus
in eine andere Welt, zu der sie momentan keinen Zutritt hatte.
Die
Terrassentür stand weit offen, damit sie das Klingeln des Telefons nicht
überhörte. Hartnäckig hielt sie an der Hoffnung fest, dass ein befreiender
Anruf käme und alles wieder gut wäre. Überall im Haus hatte sie Schälchen mit
›Sauren Zungen‹ aufgestellt. Niemand außer Timo mochte diese Süßigkeit. Er
sollte sich freuen, wenn er nach Hause zurückkam.
Manchmal
ertappte sie sich
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