Vulkanpark
über Interna nur so viel wie nötig nach draußen.
Die
Suchmaßnahmen im Großbereich um den Laacher See liefen noch immer auf
Hochtouren und wurden jeweils erst bei Einbruch der Dunkelheit abgebrochen.
Eine Vielzahl von Gegenständen und Spuren war bisher gefunden worden. Manche
konnten schnell als weniger interessant für die weiteren Ermittlungen
eingestuft werden, andere führten dazu, dass sofort der Erkennungsdienst zum
Fundort kam, um deren Relevanz nach eingehender kriminaltechnischer
Untersuchung zu bewerten. Aus der Bevölkerung gingen weiterhin zahlreiche
Hinweise ein. Leider waren viele Meldungen dabei, die ins Nichts führten oder
völlig belanglos waren. So hatte jemand am Ufer des Laacher Sees beobachtet,
wie Blasen im Wasser hochstiegen und die Vermutung geäußert, das Kind könne
dort hineingefallen sein und noch atmen. Rasch konnte geklärt werden, dass es
sich bei den Luftblasen um Mofetten handelte, Kohlendioxidaustritte, wie sie in
vulkanischen Gebieten häufiger vorkommen.
»Es ist
wirklich nicht zu fassen, mit welchem Scheiß wir uns herumärgern müssen.« Die
EDV-Spezialistin Renate Julien – von den Kollegen liebevoll Renate-Granate
genannt – war bekannt für ihre temperamentvollen Kommentare. Wild
gestikulierend berichtete sie über eine wenig erfreuliche Seite der
öffentlichen Mithilfe: Im Internet kursierten inzwischen die krudesten
Spekulationen, die jeglicher Grundlage entbehrten. Selbst ernannte Ermittler
warfen der Polizei Fahndungspannen und Logikfehler vor. »Die Spinner glauben,
sie müssten der Polizei erklären, wie sie zu ermitteln habe. Da ist die Rede
von ›haarsträubendem Expertenversagen‹ oder von ›hochgradig peinlichen
Denkfehlern‹. Die kombinieren einfach Fakten, die sie natürlich nicht zur Gänze
kennen, und basteln sich ihre eigene Logik zurecht.« Renate verdrehte
missbilligend die Augen. »Und diese abenteuerlichen Theorien versuchen sie auch
noch mit Lageskizzen zu untermauern.«
Clarissa
nickte. »Das ist mir auch aufgefallen. Einige soziale Netzwerker meinen,
Wildwestmethoden wieder einführen zu müssen«, bestätigte sie. »Diese Deppen
sollten lieber Krimis schreiben, damit richten sie wenigstens keinen Schaden
an«, war ihr trockener Kommentar.
»Die
üblichen Parolen der ›Schwanz-ab-Rübe-ab-Fraktion‹ kennt man ja zur Genüge. Mir
kommt es fast so vor, als ob das Internet den Stammtisch abgelöst hat«, fuhr
Renate fort.
»Manchmal
haben die ja nicht so ganz unrecht.« Brock mal wieder.
»Lasst
uns doch bitte sachlich bleiben«, bat Franca und berichtete von einer wichtigen
Spur: Ein Rucksack war in einem Gebüsch nahe der A61 in Richtung Koblenz
aufgefunden und bei der Polizeiinspektion Mayen abgegeben worden. Die
Untersuchung ergab, dass es sich tatsächlich um Timos Rucksack handelte, was
die Befürchtung eines Verbrechens weiter erhärtete.
Franca
richtete den Blick auf den Leiter der Spurensicherung. »Frankenstein, du hast
ebenfalls Neuigkeiten?«
Wer
Frank Stein hieß, forderte die Verballhornung seines Namens regelrecht heraus.
Er hatte an Gewicht zugelegt. Mehr denn je glich seine Physiognomie dem
Hollywoodmonster. Sein schütteres, immer grauer werdendes Haar stand
verstrubbelt vom Kopf ab. Es sah aus, als ob er sich ständig die Haare raufte.
Jemand sollte ihm sagen, dass er unbedingt mal zum Friseur gehen soll, dachte
Franca.
Der
Angesprochene nickte. »Das Fahrrad des Jungen haben wir inzwischen genau
untersucht. Der Lenker ist leicht verbogen, der linke Gabelarm hat kaum
erkennbare Riefen. Aber an der vorderen Radmutter haften Partikel von Autolack.
Und zwar ein rostschützender Aluminium-Effektlack auf Alkydharz-Basis«,
erläuterte Frank Stein. »Silberfarben.«
»Das
heißt, das Kind wurde auf seinem Fahrrad von einem silberfarbenen PKW
angefahren«, folgerte Hinterhuber.
»Davon
kann man ausgehen. Aber der Aufprall war nicht sonderlich stark, sonst wäre das
Fahrrad schlimmer zugerichtet.«
»Vielleicht
war’s ja doch ein Unfall, der Typ hat den Kopf verloren und Fahrerflucht
begangen. Gibt’s Blutspuren?«, wollte Franca wissen.
Frankenstein
verneinte.
Die Tür
ging auf. Staatsanwalt Gregor Hansen betrat den Besprechungsraum und nickte
Franca zu.
»Bitte
lassen Sie sich nicht stören. Ich will mir nur ein Bild vom Stand der
Ermittlungen machen«, sagte er und setzte sich auf den freien Stuhl am Kopfende
neben Clarissa. Hansen war Anfang 40, klug und besonnen. Stets trug er Anzug
und Krawatte. Seine Frisur
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