Vulkanpark
kühles
Taxieren ohne jegliche sichtbare Gefühlsregung.
Sie
setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber. Dabei achtete sie auf genügend
Distanz. Er sah sie an, ohne zu blinzeln, und kam ihr vor wie ein Krokodil kurz
vorm Zuschnappen. Sie war dankbar für den Tisch zwischen ihnen. Gleichzeitig
dachte sie, merkwürdig, wie schnell das gegangen ist. Wie aus einem Vertrauten,
einem Freund, ein Feind geworden ist. Und auch, wie aus einem vermeintlichen
Sieger ein Verlierer geworden ist.
Das
Aufnahmegerät ließ sie vorsorglich ausgeschaltet.
»War
das alles geplant?«, fragte sie nach einer Weile.
Sie
hatte lange darüber nachgedacht, ob sie ihm diese Frage stellen sollte. Auch
weil sie sich fast sicher war, dass sie keine ehrliche Antwort bekommen würde.
So wie sie sich überhaupt nicht mehr sicher war, was von dem, was er jemals
geäußert hatte, wahr oder erlogen war.
Er hob
eine Augenbraue, als ob er nicht verstünde, was ihre Frage sollte. Seine Miene
drückte Überheblichkeit aus, vielleicht sogar Verachtung für das Dummchen vor
ihm, das keinerlei Einblick in sein Universum hatte.
»Hast
du deshalb eine Affäre mit mir begonnen, um mich in Schach zu halten?«,
präzisierte sie ihre Frage.
Da
lachte er amüsiert auf. Ein kurzes, abgehacktes Lachen. »Ach, kleine Franca,
was hältst du dich doch für enorm wichtig.«
Ihre
Wangen brannten. Bevor sie etwas erwidern konnte, sagte er: »Man spielt nur
immer so gut, wie es der Gegner zulässt. Das dürfte dir doch nicht unbekannt
sein.«
»So wie
alles für dich ein Spiel ist? Frauen, Kinder? Und es kümmert dich überhaupt
nicht, ob sie dabei zerstört werden?«
Sein
Gesicht überzog sich mit einem arroganten Grinsen. Eine Mischung aus
Selbstinszenierung und Manipulation, dachte sie. Wahrscheinlich tut er sich
noch leid und sieht sich als Opfer, das nichts dafür kann, dass es ist wie es
ist. Schließlich musste sich das geschundene Seelenleben ein Ventil suchen.
»Abführen!«,
rief sie.
In
diesen Räumen herrschte sie. Dass das klar war. Abrupt stand sie auf, drückte
das Kreuz durch und nahm hoch erhobenen Hauptes die Klinke in die Hand. Da
hörte sie ihn zischen: »Es fühlt sich wohl besonders toll an, ein Gutmensch zu
sein.«
59
Franca Mazzari bahnte sich
ihren Weg ins Koblenzer Landgericht. Vorbei an Scharen Neugieriger, die die
Bürgersteige zu beiden Seiten der Karmelitergasse säumten und sich vor dem
Eingang drängten.
Der
Saal, in dem die Entführung von Lara Weisglas und der Mord an Timo Sielacks
verhandelt wurden, war bis auf den letzten Platz besetzt.
Nach
Benjamin Jacobs’ Festnahme hatte die Polizei alle Hände voll zu tun gehabt,
eine lückenlose Indizienkette zu schaffen, die der juristischen Beweiswürdigung
des Gerichts standhalten würde. Vier Monate lang hatten sie geackert. Rund um
die Uhr ohne Sonn- und Feiertage. Doch Franca meinte, das Ergebnis könne sich
sehen lassen. Nun war der Tag gekommen, auf den sie so lange hingearbeitet
hatten. Benjamin Jacobs musste sich ab heute vor der Schwurgerichtskammer des
Koblenzer Landgerichts verantworten.
Die
Aufklärung der Taten und deren genaue Umstände oblagen dem Vorsitzenden
Richter, unterstützt von zwei Richterinnen und zwei Schöffen. Franca kannte
Richter Stefan Kowalek, einen älteren, gewichtigen Mann, der schon viele
Verhandlungen geführt hatte und kurz vor der Pensionierung stand. Ihm eilte der
Ruf eines genauen und gerechten Richters voraus.
Als der
Angeklagte in den Schwurgerichtssaal geführt wurde, war es einen Moment lang
totenstill. Auch Franca hielt den Atem an. Ihr Körper verkrampfte sich. Ein
scharfer Schmerz durchzuckte sie, als ihr Blick auf die Handschellen fiel, die
Bens Hände aneinanderketteten.
Wie oft
hatte sie mit sich in den letzten Monaten gehadert, hatte sich gefragt, ob sie
nicht hätte sehen müssen, dass ihm der Wille zum Verbrechen in irgendeiner
Weise ins Gesicht geschrieben stand. Ob sie nicht hätte erkennen müssen, dass
Benjamin Jacobs ein hinterhältiger Gesetzesbrecher war.
Sie war
sich so sicher gewesen, dass sie die permanente Beschäftigung mit dem
Verbrechen sensibler und vorsichtiger gemacht hatte, doch offenbar war das
Gegenteil der Fall. Sie konnte es noch immer nicht fassen. Da kam ein
charmanter Gockel daher, umgarnte sie mit ein paar billigen Komplimenten, und
sie fiel blindlings darauf herein. Sie schaute zu Boden, verkrampfte sich und
wusste einen Moment lang nicht wohin mit ihrer Scham.
Schließlich
zwang sie sich, den
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