Vulkanpark
zurück ist. Wenn wir was
fänden, hätten wir Gewissheit. Und ein Unschuldiger könnte aus dem Gefängnis
entlassen werden. Wenn nicht, wird es niemand erfahren.«
Hinterhuber
kämpfte sichtlich mit sich, kämpfte mit seiner Rechtschaffenheit und Loyalität,
dem Abwägen von Konsequenzen und der möglichen Gefahr, in Francas Augen ein
Kameradenschwein zu sein.
»Ich
bin dabei«, sagte Clarissa, die die ganze Angelegenheit offenbar spannend fand.
»Auf mich kannst du zählen.« Sie stellte sich neben Hinterhuber, strich ihm
über den Arm. »Nun komm schon, Bernhard. Gib dir einen Ruck. Franca hat recht.«
»Also
gut, ich mach’s. Aber wehe, irgendeiner von euch lässt was nach draußen.«
»Erst,
wenn wir die Lorbeeren ernten«, sagte Clarissa mit Lausbubenlächeln.
»Oder
allesamt vom Dienst suspendiert werden.«
Hinterhuber schob die Tür auf.
Clarissa drängte sich an ihm vorbei. Franca folgte ihr. Ging durch die
vertrauten Räume, die auf einmal so feindlich wirkten. Alles war an seinem
Platz. Ben war ein Ordnungsfanatiker, der nie seine Wohnung unaufgeräumt
verlassen würde. Sie würden vorsichtig sein müssen, durften keinerlei Spuren
hinterlassen.
Hinterhuber
sah sich interessiert um.
»Schick«,
bemerkte Clarissa. »Der Mann hat Geschmack.« Wie Franca, begann sie vorsichtig,
Schubladen aufzuziehen und Schranktüren zu öffnen.
»Wisst
ihr denn, wonach ihr sucht?«, fragte Hinterhuber. Er bekam keine Antwort.
»Nimmst
du dir mal seinen Computer vor?«, wies ihn Franca an, während sie den Inhalt
einer Kommode prüfte und sie wieder schloss.
»Passwortgeschützt«,
sagte er nach kurzer Zeit. »Mitnehmen können wir ihn ja schlecht. Nachdem wir
uns illegal … «
Franca
unterbrach ihn abrupt. »Ich bin mir ganz sicher, dass wir auf der richtigen
Spur sind.«
»Nur
weil sich ein krankes Hirn was ausgedacht hat?«
Das war
nicht ganz von der Hand zu weisen. Noch war nicht klar, welcher der Brüder log.
Wenn man sie hierbei erwischte, würde man ihr den Fall entziehen und nicht nur
das. Verbissen suchte sie weiter.
In
einem Schränkchen im Abstellraum fand sie zwischen allerhand Krimskrams ein
abgegriffenes Fotoalbum. Es enthielt nur wenige Bilder. Zwei Jungen, identisch
aussehend, im Baby- und Kleinkindalter. Sie hielten sich an der Hand. Sahen
sich lachend an. Trugen die gleichen Kleider. Wirkten sehr vertraut.
Auf
einem der Bilder waren sie zu viert. Vater und Mutter standen hinter den
Kindern. Die Mutter schaute devot. Der Vater siegessicher. In dem Album lag
eine vergilbte Todesanzeige. Ausgeschnitten aus einer Zeitung. Magdalena
Schaller. Innig geliebte Frau und Mutter. Der Name Benjamin stand nicht bei denen
der Hinterbliebenen.
Sie
legte das Album zurück in das Schränkchen. Zog eine weitere Schublade auf.
Darin lag ein MP3-Player.
»Kannst
du das hier bedienen?«, fragte sie Clarissa.
»Klar.«
Mit Latexfingern drückte Clarissa ein paar Knöpfe, schaute aufs Display.
»Komischer Geschmack für so einen alten Knacker. Hier hör mal.«
Sie
stöpselte die Ohrhörer in die Muscheln. Eine Jungenstimme. Sie kannte das Lied.
Justin Bieber.
»Das
ist Timos MP3-Player«, sagte sie leise. Schnell tütete sie das kleine Gerät
ein. Wenn sie Glück hatten, würden sich darauf die Fingerabdrücke von Timo
nachweisen lassen.
»Ich
hab auch was gefunden«, sagte Hinterhuber. Er zog ein Jagdmesser hervor mit
einem Horngriff, das in einer abgewetzten Lederscheide steckte. »Das lag
versteckt in der hintersten Ecke dieser Schublade.«
57
Franca war total aufgeregt. Sie
ging in ihrer Wohnung hin und her wie ein Tiger im Käfig. Setzte sich. Stand
wieder auf. Fand keine Ruhe. Alles in ihr war durcheinander. Innerhalb der
letzten Tage hatte sich ihr Leben komplett auf den Kopf gestellt. Die Wahrheit
hatte viele Facetten, dessen war sie sich sicher. Einige hatten sie bereits
herausgefunden. Was würde noch nachkommen?
Die
Fundstücke aus Benjamins Wohnung hatte sie Frankenstein übergeben. Der hatte
versprochen, alles so schnell wie möglich zu untersuchen.
Sie
bekam einen Schreck, als es klingelte. Nicht öffnen, sagte sie sich. Was, wenn
es Ben ist? Wie soll ich mich bloß verhalten? Doch das Klingeln wurde immer
dringlicher. Es wurde an die Tür geklopft. Es blieb ihr gar nichts anderes
übrig, als die Tür zu öffnen, wenn sie nicht wollte, dass das ganze Haus Anteil
nahm.
Ben
stand davor. Sie hatte es gewusst. Er strahlte sie unbefangen an. »Du bist ja
doch da. Hab schon gedacht, du
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