Vyleta, Dan
Pavel
wankte ... während Fosko blutete, durch Blasen sprach und Anders mit
gebrochener Nase und gebrochenem Herzen dasaß und zu einem höhnischen, bedrohlich
groß am Horizont aufragenden Georg hinübersah ... während ich in einem oft
gestopften Strumpf dastand, meinen Stiefel in der Hand mit einem ganzen Trupp
zertretener Kakerlaken an seinem Absatz, und Söldmann oben in seinem
Speichergrab langsam vor sich hin rottete ... während Franzi, längst von uns
vergessen, Sterne aus einem ausgerollten Teig stach und halb Berlin Karten
spielte, in Decken gehüllt und die Hände in Fäustlingen steckend, Kreuz mit
Herz trumpfte und nebenher Eis auf dem Ofen aufkochte, um das Geschirr
einzuweichen ... genau in dem Moment drückte General Karpows langgliedriger
Finger den Knopf der Türklingel von Colonel Foskos privater Residenz im Westen
Berlins. Es hatte etwas Feierliches, dieses Klingeln. Karpow hatte für das
Vergnügen sogar seinen Handschuh ausgezogen. Einen Augenblick vorher hatte
sein Adjutant, der Georgier Lew, auf Karpows Signal hin das Telefonkabel
durchschnitten, genau an der Stelle, wo es ins Haus führte, und Tabak in die
Funken gespuckt. Da hatten Karpows Leute die Villa längst umstellt, durchaus
überrascht, dass niemand das Gelände bewachte. Der General hatte sich noch
nicht entschieden, wie er Fosko zu begegnen gedachte. So wie es stand, wurde
ihm diese Entscheidung abgenommen. Der Colonel war, wie Karpow bald erfahren
sollte, unpässlich. Eine volle Minute lang erfüllte das Läuten der Klingel das
Haus. Karpow war klug genug, etwas versetzt zur Tür zu stehen und ihr nur sein
Profil zuzuwenden. Bei einem Mann wie Fosko, sinnierte er, ließ sich nur schwer
voraussagen, wann genau er zu schießen beginnen würde.
Er wurde jedoch nicht von Kugeln
begrüßt. Stattdessen war es Pavel Richter, der die Tür öffnete, blass und in
Tweed gehüllt, die Hand mit einer englischen Pistole locker nach unten hängend.
Die Frau von den Überwachungsfotos war bei ihm. Unter ihrem Fuchsfell schien
sie, wie Karpow bemerkte, nichts als einen schwarzen Spitzenbüstenhalter zu
tragen. Er zog eine Braue hoch und nahm sich die Zeit, sich zu verbeugen, bevor
er die beiden unter Arrest stellte. Vernünftigerweise leisteten sie keinen
Widerstand. Karpow verlangte, den Colonel zu sehen, und mit etwas, das ihm wie
Heiterkeit erschien, führten sie ihn die Treppe hinauf. Karpows Männer
durchsuchten unterdessen das Haus nach verborgenen Gefahren. Sie fanden mich
auf Kakerlakenjagd und wärmten sich die Hände am Boiler. Ich sprach kein Wort
Russisch und konnte sie nicht einmal fragen, was zum Teufel dort oben geschah.
Stellen Sie sich das vor: Ein Erzähler, der aus seiner eigenen Geschichte
ausgesperrt ist. Es macht einen zu einem Historiker, diesem nachträglichen
Schnorrer von Tatsachen. Ich kann mir keine schäbigere Beschäftigung
vorstellen.
3. Januar 1947
(Fortsetzung)
U nten
klingelte es an der Tür. Das Klingeln erinnerte sie an etwas, das sie einmal im
Radio gehört hatte, vor dem Krieg. Ein amerikanischer Kriminalschriftsteller
wurde nach den Wendepunkten seiner Geschichten gefragt. »Wenn ich nicht weiß,
was als Nächstes passiert, lass ich jemanden mit einer Waffe durch die Tür
kommen«, hatte er geantwortet. Sein Werk war voller Leichen. Es war ihr
belanglos vorgekommen. Vor dem Krieg.
Pavel
akzeptierte es als Erster. »Wir machen besser auf.« Es gab keinen Widerstand in
seiner Stimme. Zusammen gingen sie nach unten, wie ein Paar, das zum Essen
Gäste erwartet. Am Fuß der Treppe griff Sonja nach seiner Hand. Sie stellte
fest, dass er die Pistole darin trug, zuckte zurück und fragte sich, ob er ihre
Bewegung bemerkt hatte. Sie kamen an einem Fenster vorbei und sahen, wie sich
im Garten etwas bewegte. »Die Russen«, sagte Pavel tonlos. Es erstaunte sie,
dass er das mit einem so flüchtigen Blick erkannte.
Der
General war groß und höflich. Er wurde von dem Mann begleitet, den sie mit der
Bratpfanne geschlagen hatte: diese Wasserfarbenaugen, voller Erkennen.
»Bringen
Sie mich zum Colonel«, befahl Karpow, nachdem er Pavel entwaffnet hatte. Er
ließ ihn von einem Mann abklopfen, durchsuchte Sonja aber selbst nach Waffen.
Sie musste den Pelz dafür aufknöpfen und seine Hände auf sich ertragen. Sie verweilten
nicht. Entweder hatte er Manieren, oder er bevorzugte Jungs. Als sie fertig
waren, führten sie ihn die Treppe hinauf und steuerten auf das Arbeitszimmer
des Colonels zu. Der junge Mann mit
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