Vyleta, Dan
jetzt.«
»Du bist
wütend auf mich«, flüsterte er.
»Ich habe
nicht die leiseste Idee, was für eine Art Mann du bist.«
Sie sagte
es, und das Telefon fing an zu klingeln. Es war schwer zu sagen, ob es ihre
Worte waren oder das Telefon, das ihn zusammenzucken ließ.
Das Telefon klingelte. Er war auf
dem besten Weg, war dabei, einen Entschluss zu fassen, da klingelte das Telefon.
Es war ein schweres schwarzes Telefon, das seitlich auf dem Schreibtisch stand,
neben der Zigarrenkiste. Davor ein Zigarrenabschneider. Pavel wurde bewusst,
dass er immer noch keine Zigarette geraucht hatte. Sonja hatte keine
mitgebracht. Er hätte sich eine Zigarre anstecken können, konnte sich mit dem
Gedanken aber nicht anfreunden. Man bestahl die Toten nicht. Er steckte eine
Hand in die Tweedjacke und suchte nach einem Zigarettenpäckchen. Er fand ein
Shilling-Stück und eine rostige Schraube. Das Telefon klingelte ein zweites
Mal.
Es wäre
das Klügste, sich aus dem Staub zu machen. Sonja bei der Hand zu nehmen, ins
Auto des Colonels zu steigen und möglichst weit wegzufahren, bevor man am
Morgen Foskos Leiche finden würde, zusammen mit einem aufgeregten Peterson, und
die Briten Jagd auf sie machten. Vielleicht vergab sie ihm dann, nach einem Bad
und einer Rasur, wenigstens bis sie gefasst wurden. Es schien unmöglich, dass
man sie nicht fassen würde. Sie befanden sich im besetzten Deutschland, und alle
paar Kilometer gab es eine neue Straßensperre. Er hatte nicht mal seinen Pass.
Aber vielleicht gewann er so ein paar Tage mit ihr. Und Nächte. Er fragte sich,
ob er bereit war, ihrer beider Leben für diese paar Nächte wegzuwerfen.
Das Telefon
klingelte ein drittes Mal.
Pavel
konnte den Colonel erschießen. Das würde für niemanden groß etwas ändern, nur
vor Gericht mochten sie von Mord sprechen. Dabei wäre es ein Gnadenakt. Er
konnte ihn mit Petersons Pistole erschießen, was helfen könnte, ihre Spuren zu
verbergen, vorausgesetzt, Peterson war nirgends zu finden. Im Gegensatz zu
Fosko konnte man
Peterson loswerden, ihn hier hinausbringen und verschwinden lassen. Warum
nicht? Der Mann verdiente es. Er war ein Folterer. Boyd war von ihm malträtiert
worden. Anderen stand es noch bevor. Mit etwas Abstand würde es wie ein Dienst
an der Gerechtigkeit wirken, Peterson umzubringen.
Das
Telefon klingelte ein viertes Mal.
Angenommen,
sie kämen hier weg: Packten ihr Geld zusammen, holten seine Papiere und
verließen die Stadt. Ein paar Tage Vorsprung war alles, was sie brauchten.
Wohin würden sie gehen? Zurück nach Amerika, wo er eine Frau hatte und eine
Mutter, die ihn liebte? Vielleicht nahmen die Russen ihn, aber da würde Sonja
nicht mitkommen. Frankreich könnte für eine Weile gehen, aber da würden die
Leute sie wie eine Feindin behandeln. Er stellte sich vor, wie sie einer
Gruppe Widerstandskämpfer ihre Geschichte erzählte. Dass sie im Dienste Ihrer
Majestät mit einem Zwerg ins Bett gegangen war. Dafür konnte man ihr einiges
vergeben, besonders in Frankreich. Der Einzige, der ihr nicht vergeben würde,
war Anders. Er hatte nie etwas an ihrem Lächeln gefunden.
Das
Telefon klingelte ein fünftes Mal.
»Wo ist
der Junge?«, fragte er plötzlich.
»Scheiße«,
sagte sie. »Der Junge.«
Ihre Augen
hefteten sich auf das Telefon. Pavel sah es und griff nach dem Hörer. Als er
ihn aufnahm, hatte der Anrufer bereits aufgelegt. Er klopfte auf die Gabel,
aber die Verbindung war weg. Er versuchte zu sprechen. Sein Mund war trocken,
und seine Zunge suchte nach Spucke.
»Wo zum
Teufel ist Anders?«
Sonja
griff zum Telefon und wählte Franzis Nummer. Keine Antwort. Sie versuchte es
noch einmal, aber die Leitung wurde beim zweiten Klingeln unterbrochen. Der
Anschluss war tot, sie konnte nicht einmal die Vermittlung erreichen.
»Er ist
bei Paulchen. Er sollte den Projektor abholen, kam aber nicht wieder zurück. Da
muss etwas passiert sein.«
Die beiden
wandten sich dem Colonel zu. Ihnen begann zu dämmern, wie er Sonja gefunden
hatte.
»Lebt der
Junge noch?«, schrie sie ihn an, und der Colonel blies eine Blase. Pavel erhob
sich und stand mit der Pistole über ihm, das zweite Mal an diesem Abend.
»Du
Dreckskerl«, sagte er.
Pavel war
sich nicht sicher, ob die Antwort ein Husten oder ein Lachen war.
Jetzt, dachte er, jetzt muss ich ihn doch erschießen.
Sonja
holte aus und trat dem Colonel zwischen die Beine. Ihr Tritt veränderte die
Geräusche, die er machte, nur wenig.
Während Sonja trat und
Weitere Kostenlose Bücher