Vyleta, Dan
den Wasseraugen schied aus der Prozession
aus und ging ins Bad, um zu pinkeln. Er ließ die Tür offen, lehnte das Gewehr
gegen die Wand, machte einen krummen Rücken und spuckte Kautabak in seinen
Urinstrahl. Mit einer einzigen Geste wurde er alles das, was Pavel nicht war.
Als Karpow
ins Arbeitszimmer trat, erschoss er als Erstes den Affen. Er erschoss ihn ganz
beiläufig, zog eine Pistole aus der Manteltasche und steckte sie zurück, sobald
sich der Lauf abgekühlt hatte. Karpow beugte sich kurz zu Fosko hinunter, um
sich dessen Wunde anzusehen, ging dann hinüber und hob die beiden Stücke
Mikrofilm vom Boden auf. Lew schloss zu ihnen auf, obwohl er seine Hose noch
nicht ganz zugeknöpft hatte. Zwei der Russen erhielten den Befehl, das Haus zu
durchsuchen.
»Der Film
ist beschädigt.«
Karpows
Stimme war völlig gefasst. Hager und zielgerichtet, wie er war, bildete er
einen scharfen Gegensatz zu dem sterbenden Mann. Der General ging um den
Schreibtisch herum und setzte sich auf Foskos Stuhl.
»Wo ist
der Rest?«
Pavel warf
Sonja einen Blick zu. »Wir wissen es nicht. So haben wir ihn gefunden. Bei
Söldmann.«
Karpow
dachte darüber nach, schürzte die Lippen und bellte den jungen blonden Soldaten
an. Er sprach Russisch.
Pavel
wurde blass, blieb bei Englisch. »Aber wir wissen nichts.«
»Das haben Sie mir schon einmal erzählt, Mr Richter.«
»Sie weiß nichts.«
»Das werden wir sehen.«
»Wir können nicht gehen. Nicht
sofort.«
»Und warum nicht?«
Sonja sah,
wie sich Pavel mit den Händen durch das Haar fuhr. Sie mochte diese Geste. Sie
drückte Verzweiflung aus. Es war selbstmörderisch, das wusste sie, aber sie
mochte diesen Pavel, der endlich überfordert war.
Er blieb
nicht so. Die Hände sanken, und die Zunge machte eine Kehrtwendung. Wechselte
das Alphabet, sprach die Sprache der Vergewaltigung. Gewann Karpows
Aufmerksamkeit. Der machte eine Geste zu seinem Untergebenen hin, damit er
Pavel einen Stuhl holte und sie sich zivilisiert unterhalten konnten. Von
Soldat zu Soldat, Mann zu Mann. Sonja verstand kein Russisch und fühlte sich
ausgeschlossen. Sie verstand nur einen Namen, der oft wiederholt wurde.
Haldemann.
Sie stand
da und versuchte, sich zu erinnern, wo sie diesen Namen schon einmal gehört
hatte.
Pavel versuchte, Karpow die Lage
des Jungen zu erklären. Dass er höchstwahrscheinlich gefangen gehalten werde,
von einer deutschen Bande. »Ein guter Junge«, sagte er. »Ein Berliner Straßenjunge.«
Karpow
machte eine Geste, um zu zeigen, dass er durchaus ein Ohr hatte für die Nöte
eines Minderjährigen, dass er ein kultivierter Mann war, ein Gefühlsmensch
sogar, trotz dieser Welt.
»Ach«,
sagte er, »die Zeiten sind schlimm.« Er dämpfte seinen Spott mit einem
angedeuteten Lächeln ab, direkt um seine Augen. »Was können Sie mir dafür
bieten, Mr Richter?«
»Ich weiß, wo sich Haldemann
versteckt.«
»Ja?«
»Sie können sich ein paar Tage
nehmen, um es aus mir herauszuprügeln, und darauf hoffen, dass er dann noch da
ist. Oder ich kann es Ihnen einfach so sagen.«
»Wenn ich
den Jungen rette.«
»Wenn Sie
den Jungen retten.«
»Das ist
ein großzügiges Angebot.« Wieder ein Anflug dieser lächelnden Augen, wenn die
Lippen auch unbewegt blieben. Es war, als könne er sein Gesicht zweiteilen.
»Ein
Telefonanruf würde ausreichen.«
»Um was zu
sagen?«
»Dass der
Colonel tot ist. Das würde reichen. Falls Anders noch lebt.«
Karpow
schüttelte den Kopf. »Es wird besser sein, wenn wir zusammen gehen und ihn
abholen. Dann weiter zu Haldemann. Ich nehme an, er versteckt sich in der
Stadt?«
»Ja, in
der Stadt.«
»Ich sage
meinen Leuten, sie sollen sich bereit machen, Sie sagen es auch der Frau, und
holen Sie Ihren Mantel.«
»Sie
lassen uns gehen, wenn Sie Haldemann haben?«
»Wenn
alles zu meiner Zufriedenheit läuft.«
»Sie
lassen uns gehen?«
»Ihren
Mantel, Mr Richter. Und die Frau.«
Als Pavel
von seinem Stuhl aufstand und sich umdrehte, sah er Sonja neben Foskos Körper
hocken, eine Hand im Fell des Affen. Aus seiner Brust rauchte es.
»Wir haben
ihm nicht mal einen Namen gegeben«, klagte sie.
Pavel
streckte die Hand aus und legte sie ihr auf die Schulter.
»Ich
dachte, du hast den Affen verabscheut.«
»Das habe
ich auch gedacht.«
Er konnte
ihr Gesicht nicht sehen, dachte aber, dass sie vielleicht lächelte. Sonja
neigte den Kopf auf die Schulter und die Wange auf seinen Handrücken.
»Was
geschieht jetzt?«, fragte sie.
»Erst
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