Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
Vom Netzwerk:
Prüfung abgeheftet, und es gab praktisch umgehend dreiundzwanzig
Entnazifizierungsbestätigungen. Es schien den Briten unvorstellbar, dass dieser
Trupp degenerierter Clowns etwas anderes sein konnte als geborene Demokraten.
    Innerhalb
einer Woche siedelte Söldmann mit seinen Operationen in den US-Sektor über,
seinen Persilschein wie ein Familienwappen vor sich her schwenkend. Mit Karli
Schäfers Zirkus hatte er fortan nichts mehr zu tun, sieht man von einer gekauften
Liebesnacht mit einem der winzigen Trampolinmädchen ab. Wie so viele andere
Männer wollte auch er einmal in seinem Leben erfahren, wie es war, eine
Zwergin zu vögeln. Es gefiel ihm durchaus, dennoch hielt er sich danach wieder
an ausgewachsene Frauen. Das brachte mehr Prestige, zudem stellte er fest, dass
er sich an die dynamischen Möglichkeiten gewöhnt hatte, die der Größenunterschied
seinen erotischen Anstrengungen verlieh. Während der nachfolgenden Monate
verlegte er seinen geschäftlichen Schwerpunkt auf die Beschaffung von
Informationen und arbeitete mit allen vier Siegermächten zusammen. Die Russen
wurden zu seinen besten Kunden. Sie schienen unersättlichen Bedarf zu haben und
hatten ausreichend Nazischatullen an sich gebracht, um dafür zahlen zu können.
    Während
der letzten Wochen vor seinem Tod soll Söldmann an einer größeren Transaktion
gearbeitet haben, bei der es um den Verkauf von hochsensiblem Material ging.
Der Preis, so das Gerücht damals, sei astronomisch, das Risiko nicht unbeträchtlich.
Aber es bleibt hier keine Zeit, Licht in dieses besondere Rätsel zu bringen.
Es schlummert, sicher verpackt in einem Paar Wintersocken, im Inneren einer
vergessenen Kaffeekanne. Bald schon wird es erwachen und Maßnahmen ergreifen,
um aus seiner schützenden Behausung zu kriechen. Sie und ich, wir werden da
sein, um sein frühmorgendliches Gähnen mitzuerleben. Söldmann dagegen ist kein
weiterer Morgen vergönnt. Er liegt steif gefroren auf den groben Holzdielen
eines Dachbodens, das Loch eines Messerstichs im Rücken.
    Aber genug
zu Söldmann. Kehren wir zu den Lebenden zurück, zu denen, die reden und lieben
und somit noch verwundbar sind.
     
    Keine zehn Minuten, nachdem Pavel
gegangen war, kam der Colonel. Sonja verbrachte die Zeit bis dahin vor dem
Spiegel und betrachtete sich verwundert. Ihr kam der Gedanke, das Fenster zu
öffnen, um die Luft auszutauschen, in der sie lebte, aber der Rahmen war
zugefroren und wollte nicht nachgeben. Sie zündete sich eine Zigarette an,
nahm ihre Position vor dem Spiegel wieder ein und blies sich den Rauch
entgegen. Wenn sie die Zigarette zwischen den vorletzten Gliedern von Zeige-
und Mittelfinger hielt und die Hand lose vom hochgehaltenen Handgelenk hängen
ließ, dann sah sie, so fand sie, fast wie eine Dame aus. Der Colonel war
bester, vielleicht zu guter Laune. Er begrüßte sie mit einem herzlichen Kuss
auf die Lippen, packte den Affen liebevoll beim Nackenfell und schenkte sich
ein großzügiges Glas Cognac ein. Sonja hatte das Gefühl, in seinen Augen noch
etwas anderes als Fröhlichkeit entdecken zu können, ein leichtes Unbehagen, das
er nur mit Mühe verbarg. Sie fragte sich, ob es mit Weihnachten zu tun hatte,
die Feiertage hatten eine merkwürdige Wirkung auf manche Leute. Fosko senkte
seine massige Gestalt auf ein Sofakissen und bedeutete ihr, sich zu ihm zu setzen.
Sein Anblick ließ sie würgen: die Fettrolle, die von der Brust hochwallte, um
Hals und Kinn zu verschlucken, die runden Kinderhände, die, wie sie wusste,
schon oft Knochen gebrochen hatten. Vorsichtig trat sie näher und sah zu, wie
er sich die Hose aufknöpfte.
    Seine
Bedürfnisse zu befriedigen, gestaltete sich schwierig. Sonja erklärte, sie
hätte Bauchschmerzen, Blähungen, und er ließ sie ihren Dienst gütigerweise mit
dem Mund verrichten, eine Wärmflasche auf den Unterleib gedrückt. Während sie
so zu seinen Füßen saß, die Kälte des Bodens unter den Hinterbacken und seinen
Ehering auf den Kopf gedrückt, studierte sie den Colonel unter den Augenlidern
hervor. Sonja fragte sich, wie es wohl wäre, ein Mensch wie Fosko zu sein, und
konnte nicht glauben, dass sie sich ihm doch erst vor Tagen noch so verwandt
gefühlt hatte. Mit einer Tatze hielt er ihre Brust gefasst wie ein Metzger,
der sein Fleisch wog, die andere war in ihren Haaren und dirigierte ihre
Bewegungen. Ihr kam der Gedanke, dass der Krieg ihm das angetan, ihn zu dem
gemacht hatte, der er heute war. Wie benahm er sich seiner Frau

Weitere Kostenlose Bücher