Vyleta, Dan
Mitgliedschaft wurde
sogar auf das Jahr 1926 zurückdatiert, also in die heldenhaften Jahre des
Kampfes, die Hitlers Aufstieg zu Ansehen und Respektabilität vorangingen. Damit
waren seine Referenzen unanfechtbar, und bald schon vollzog er eine
bemerkenswerte Wandlung vom Absteigenbewohner zum Geschäftsmann. Die genaue
Natur seiner Geschäfte ist unglücklicherweise heftig umstritten, obwohl doch
klar ist, dass es ihm gelang, einigen Besitz an sich zu bringen und vor dem
Krieg ein paar Monate lang einen arischen Tanzschuppen zu betreiben, bis dieser
wegen eines (schnell vertuschten) Disputs darüber geschlossen wurde, dass dort
eine ungesetzliche Vorführung synkopischer Jazzmusik stattgefunden hätte. Im
Laufe des Kriegs wurde Söldmann dann, wie es scheint, zu einem Beschaffer seltener,
schwer zugänglicher Waren: alles von verbotener moderner Kunst, die bei einigen
Würdenträgern der Partei unselig hoch im Kurs stand, bis zu eher weltlichen
Dingen, für die ich einen amerikanischen Gl den schönen Ausdruck »booze and cooze« habe verwenden hören, was sich
frei mit »Moet und Mösen« übersetzen ließe. Aufgrund seiner Kleinwüchsigkeit
nicht für den Dienst an der Waffe geeignet, war Söldmann in der Lage, an der
Heimatfront zu reüssieren. Dabei hielt er sich mit den Jahren immer weiter im
Hintergrund, war er sich seiner winzigen Statur im Zeitalter der Riesen doch
durchaus bewusst. Vielleicht faszinierte es ihn aber auch einfach nur, hinter
den Kulissen die Fäden zu ziehen.
Mit
Kriegsende geriet Söldmann böse in die Klemme. Als Hitlers Reich militärisch,
moralisch und finanziell zusammenbrach und neue Mächte in die ehemalige
Hauptstadt einzogen, tat Söldmann alles, um seine Organisation am Leben zu
erhalten und gleichzeitig dem Interesse der Alliierten an seiner lautstark
verkündeten Hingabe an die Ideen der Nazis zu entgehen. Was die geschäftliche
Seite anging, musste er sich keine Sorgen machen. Wie sich herausstellte,
brauchte eine kriegszerstörte Stadt, die ihrem ersten Friedenswinter
entgegensah, Männer wie Söldmann. Besatzer wie Besetzte, sie alle sehnten sich
nach der Hilfe von Leuten, die »Dinge erledigen konnten«. Es bestand die Möglichkeit,
zu einer wahren Säule der Nachkriegsgesellschaft zu werden, und Söldmann war
nicht der Mann, der sich eine solche Gelegenheit entgehen lassen wollte.
Was jedoch
seine »Entnazifizierung« betraf, den heiß begehrten »Persilschein«, der nach
Hugo Henkels (Parteinummer 2266961) beliebtem Waschpulver benannt wurde, nun,
das kostete einigen Aufwand. Durch Glück und den Mut eines Zivilisten, zu
zögern, als entschiedenes Handeln gefordert wurde, hatte das Zentralregister
der Nationalsozialistischen Partei den Befehl überlebt, in einer bayerischen
Papiermühle eingestampft zu werden, was die 7. US-Armee in die Lage versetzte,
etwa achteinhalb Millionen Mitgliedskarten zu retten, darunter auch die von
Söldmann. Im Geiste alliierter Zusammenarbeit bekamen wir Briten, in deren
Sektor Söldmann lebte und seinen Geschäften nachging, vollen Zugang zu den
Dokumenten. Die Entnazifizierungsanhörungen verlangten von allen Deutschen,
einen Fragebogen auszufüllen, in dem sie ihre Verstrickung mit dem
Hitler-Regime vollständig preisgaben. Die so gesammelten Daten wurden
anschließend mit dem Parteiregister abgeglichen. Dabei bedeutete der Nachweis,
dass man Parteimitglied gewesen war, nicht automatisch das Ende des
Entnazifizierungsprozesses. Ganz im Sinne des englischen Fairplay akzeptierten
wir auch Opportunismus als Grund für den Parteibeitritt: Schließlich hatte man
leben müssen. Bereits vor Hitlers Wahlsieg 1933 beigetreten zu sein, wurde
jedoch als nicht unerheblicher Fauxpas betrachtet, genauso, wie in seinem
Fragebogen zu lügen. Da ihnen die Praxis opportunistischer Rückdatierung
unbekannt war, sahen die Untersuchungsbeamten in den Daten des Zentralregisters
die absolute, sprich: bürokratische, Wahrheit. Eine fortdauernde
Mitgliedschaft seit 1926, verbunden mit einer Anzahl Briefe von
Parteifunktionären, die ihm trotz aller körperlichen Fehlbildung den rassischen
Wert für Deutschland bestätigten, ließ sich nur als ausreichend belastend
interpretieren, um eine Entnazifizierung unmöglich zu machen. Ein offizieller
Prozess, geschäftliche Sanktionen und, was das Schlimmste war, die genaue
Prüfung all seiner Aktivitäten drohten. Was Söldmann ziemlich tief in die oben
genannte Klemme brachte.
Zum ersten
Mal in seinem Leben kam ihm nun
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