Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
grauenhaften Bildern bedeckt: bluttriefenden Messern, Leichen, sich windenden Schlangen, dreifachen Sechsen und kurzen, umrandeten Phrasen wie
Der Tod ist ein Segen
und
das Ende
.
»Das sieht mir weniger nach Persönlichkeitsentwicklung aus als vielmehr nach dem personifizierten Bösen.« Rachel blickte Lachlan erwartungsvoll an. »Ich bilde mir doch nichts ein, oder? Einige von diesen Bildern lassen sich dem Satanismus zuordnen, nicht wahr?«
Lachlans Herz schlug heftig. Angesichts Rachels Blässe drängte es ihn, sie in den Arm zu nehmen, sie ganz fest zu halten und ihre Ängste zu zerstreuen. Aber obwohl die Herrin des Todes ihn dazu ermutigt hatte, sich Rachel zu nähern, widerstand er der Versuchung, die Hand auszustrecken und Rachel zu trösten. Ohne sie jemals in seinen Armen gehalten zu haben, wusste Lachlan instinktiv, dass sie so perfekt hineinpassen würde wie keine andere Frau zuvor – und das erschreckte ihn. Sein Interesse an Rachel ging zu weit. Wenn er einmal die unsichtbare Grenze, die er zwischen ihnen gezogen hatte, überschritt, wäre es nicht mehr möglich, es bei einer Umarmung zu belassen. »Sie ist eine sehr begabte Künstlerin.«
»Das liegt in der Familie, schätze ich.« Lachlan blickte sie fragend an. »Ich bin Grafikdesignerin. Ich arbeite für eine Softwarefirma hier in der Stadt.«
»Aha.« Eine Künstlerin also. Das erklärte die Oase, in die Rachel den sterilen Betonbalkon verwandelt hatte. Künstler beurteilten die Welt nach ihrem Potenzial – danach, was sie sein konnte, und nicht danach, was sie war. Er nahm das Blatt und tat so, als würde er es genau studieren. »Die Bildersprache wirkt in der Tat verstörend. Vielleicht sollten Sie sich an einen Psychotherapeuten wenden.«
»Ich versuche ja, Em davon zu überzeugen, zu einem zu gehen. Aber bisher hat sie sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt. Ich hatte gehofft …« – ihr Blick suchte seinen – »wissen Sie, Em hat es nicht gezeigt, aber sie ist sehr beeindruckt von Ihnen. Ich glaube, sie würde auf Sie hören.« Der Druck auf Lachlans Brust wurde fast unerträglich. Rachel seufzte. »Jedenfalls hört sie nicht auf mich, so viel ist sicher.«
»Vielleicht könnte ihr Vater …«
»Nein. Grant fällt es bereits schwer, mehr als fünf Minuten lang mit ihr zu reden. Außerdem ruft er höchstens einmal im Monat an. Er hätte nicht die leiseste Ahnung, was er sagen soll.«
»Verstehe«, erwiderte Lachlan, dabei verstand er es überhaupt nicht. Er hatte nie Schwierigkeiten gehabt, mit seinen eigenen Kindern zu reden, und er würde alles darum geben, noch einmal … Das Papier in seiner Hand zitterte, schnell legte er es hin. »Ich soll ihr also sagen, dass der Tod nichts Erfreuliches ist und dass das Leben lebenswert ist.«
»So ungefähr, ja.«
»Ich bin vielleicht nicht die richtige Person, um ihr das zu vermitteln.«
»Warum denn nicht?« Rachel nahm die Zeichnungen wieder an sich, faltete das Bündel zu einem schmalen Rechteck und schob es zurück in ihre Handtasche. »Weil Sie an ein Leben nach dem Tod glauben?«
»Nein, das ist nicht der Grund.« Das Problem war nicht das Leben nach dem Tod. Das Problem war das Leben vor dem Tod – das Leben, das Lachlan verloren hatte, seine eigene schmerzhafte Vergangenheit. Doch stattdessen sagte er: »Weil die Gothic-Kultur jede organisierte Religion ablehnt. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Emily jeden Ratschlag ignoriert, der von einem Priester kommt, eben weil er von einem Priester kommt.«
»Aber ich glaube nicht, dass sie Sie als –«
»Vielleicht nicht«, unterbrach Lachlan. »Trotzdem wäre es das Beste, wenn Sie jemand anderen finden würden, der mit ihr spricht. Aus dem Freundeskreis oder aus der Verwandtschaft.«
Rachels Gesicht versteinerte. Sie stand auf und hängte sich ihre Handtasche über die Schulter. »In Ordnung.«
Lachlan starrte Rachel an. Er bemerkte einen verräterischen Schimmer in ihren Augen. Verflucht noch mal. Gleich würde alles in einer Katastrophe enden. Eine Träne, mehr war nicht nötig. Eine Träne, und er würde jede Warnung, die sein gebeuteltes Herz herausschrie, in den Wind schlagen und Rachel auf den Knien anflehen, ihn helfen zu lassen. Bitte, lass sie nicht weinen.
Rachel reckte das Kinn trotzig nach oben und streckte die Hand aus. »Danke für Ihre Zeit, Pater.«
Lachlan ergriff ihre Hand und drückte sie sanft. Dann begleitete er Rachel zur Tür. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine Hilfe
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