Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
blassblauen Rauch und den Geruch brennenden Öls berücksichtigte, die das Auto ausdünstete, konnte man es als Paradebeispiel einer altersschwachen Klapperkiste bezeichnen. War der letzte Datsun nicht irgendwann in den Achtzigern vom Fließband gerollt? Wo hatte Rachel diesen horrenden Schrotthaufen nur aufgetan?
Vorn fuhr das Motorrad an der Curtner Avenue ab, und Lachlan ging vom Gaspedal. Nur Augenblicke später, gleich hinter dem Friedhof, schwenkten Emily und ihr Freund rechts ein und fuhren auf den Santa-Clara-Jahrmarkt. Das Tor stand sperrangelweit offen, weit und breit waren weder ein Schloss noch eine Wache in Sicht. Kurz darauf erstarb das röhrende Brummen des Motorrads. Offenbar ging es nun zu Fuß weiter.
Zu Lachlans Erleichterung beschloss Rachel, dem Motorrad nicht auf das Gelände zu folgen, sondern stattdessen vor dem Casino zu parken. Er zog die Augenbrauen hoch, als sie ihr klappriges Gefährt abschloss. Wer würde diese Rostlaube stehlen wollen? Lachlan wartete, bis Rachel um die Ecke verschwunden war, dann parkte er seinen S6 rasch im Schatten der Gateway Hall und kürzte auf dem Weg zur Parkanlage zwischen den Gebäuden hindurch ab. Das Gewächshaus, das im Schutz einiger Bäume stand und von Picknicktischen umgeben war, schien ihm der wahrscheinlichste Platz für ein Stelldichein zu sein.
Und damit traf er ins Schwarze.
Während sich Lachlan dem Gewächshaus im Schutz der Bäume näherte, entdeckte er Emilys schmale Gestalt. Sie saß auf einem Picknicktisch aus Holz. Fünf Männer und zwei Frauen standen ringsum. Sie alle waren schwarz gekleidet, hatten alle gleich verschwenderisch schwarzen Eyeliner aufgetragen und hielten alle eine geöffnete Bierflasche in der Hand. Einige rauchten – und zwar nicht nur Tabak, den glasigen Augen und dem verzückten Lächeln nach zu schließen. Nur einer der jungen Männer trug eine Lederjacke – es war also nicht schwer, den Motorradfahrer zu identifizieren.
Lachlan blickte sich suchend nach Rachel um. Sie hatte sich der Gruppe von der entgegengesetzten Seite des Parks genähert und stand nun tief im Dunkel der Bäume. Sie hatte Lachlan nicht bemerkt und wandte keinen Blick von den Gestalten um den Picknicktisch. Alkohol, Zigaretten, Drogen – die Inkarnation der schlimmsten Befürchtungen einer Mutter.
Die Unterhaltung war von Lachlans derzeitiger Position aus unmöglich zu belauschen, daher pirschte er vorsichtig näher.
Kurz darauf hörte er Emilys hohe Stimme. »Die Schule ist so verflucht öde!« Einer der Jungen murmelte seine Zustimmung. »Sie lassen dich denselben Scheiß immer wieder machen, so als wärst du zu dämlich, es gleich beim ersten Mal zu raffen.«
Lachlan blieb hinter einem breiten, flechtenbewachsenen Baum stehen und warf erneut einen heimlichen Blick auf die Gruppe – gerade rechtzeitig, um Emilys Verehrer erstarren zu sehen. Einen Herzschlag lang dachte Lachlan, es wären seine Bewegungen gewesen, die den jungen Mann alarmiert hatten. Doch dieser blickte in die entgegengesetzte Richtung, genau in jenen schattigen Winkel, in dem Rachel stand.
Angst flutete durch Lachlans Adern. Obwohl seine Kriegerinstinkte ihn dazu drängten, sich zwischen Rachel und jede erdenkliche Gefahr zu werfen, widerstand er ihnen und blieb, wo er war, ohne jedoch das schmale Gesicht des jungen Mannes aus den Augen zu lassen. Lachlans Herz hämmerte. Rachels dunkle Gestalt im Schatten der Bäume zu entdecken, ging über jedes menschliche Sehvermögen hinaus. Er wusste das, weil er selbst sie kaum sehen konnte. Das bedeutete, dass Emilys Freund nicht derjenige war, der zu sein er vorgab.
Er war ein Dämon.
Und tatsächlich, Lachlan war sicher, dass er die Kreatur dort drüben kannte, auch wenn er das markante Kinn und die dichten Augenbrauen nicht einordnen konnte. Das war sonderbar, denn nur wenige Dämonen, mit denen er jemals gekämpft hatte, waren anschließend noch in der Lage gewesen, davonzuspazieren. Eigentlich konnte sich Lachlan in den vierhundertneun Jahren, die er bereits als Seelenwächter tätig war, nur an drei erinnern, seinen hünenhaften Freund von neulich eingeschlossen. Dieser Kerl hier gehörte nicht zu ihnen. Doch das Gefühl der Vertrautheit verstärkte sich. Denn nun lächelte der Dämon schwach und drehte den Kopf – und sah Lachlan direkt in die Augen.
Als der junge Mann den Blick abwandte, entschlüpfte Rachel ein Seufzer der Erleichterung. Da sie Emily kaum sehen konnte, hatte sie daraus geschlossen, dass
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