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Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Titel: Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
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einen braunen Tweedanzug mit hellgelber Weste gekleidet, stand er mit einem Mal mitten in Lachlans Wohnzimmer. »Ah, da sind Sie ja«, sagte der Mann lächelnd.
    »Sie kommen spät«, knurrte Lachlan. Er war nicht in der Stimmung für Nettigkeiten. »Wieder einmal.«
    »Tatsächlich?« Der Engel blinzelte.
    »Besitzt ihr im Himmel keine Uhren? Ich habe die Seele vor über drei Stunden geholt.«
    Der Mann im Tweedanzug kratzte sich an der Nase. »Wirklich?«
    »Ja.«
    Der Engel zog einen winzigen Spiralblock aus der Tasche seiner Satinweste und blätterte darin, bis er eine Seite erreichte, die sein Interesse weckte. »Jeffrey Walsh? Gestorben im Good Samaritan Hospital? An kongestiver Herzinsuffizienz?«
    »Ja«, bestätigte Lachlan gereizt.
    »Vor drei Stunden, sagen Sie?«
    »Aber ja, verdammt noch mal!« Gottes Boten standen schon immer ein wenig mit der Zeit auf Kriegsfuß, aber das hier war kaum zu ertragen. »Ist Ihnen klar, dass ein Seelenwächter nicht essen kann, wenn er eine Seele geholt hat?«
    »Das ist mir bewusst.«
    »Und Sie wissen auch, dass ich, während ich diese Seele mit mir herumtrage, keine andere holen kann, wenn sie nicht denselben Bestimmungsort hat?«
    »Das weiß ich.«
    »Was zum Henker hält Sie dann so lange auf?«
    »Ich kam, so schnell ich konnte.«
    Natürlich. Aber ohne einen Gedanken an den Wächter zu verschwenden, der krepierte, während sich der Herr Zeit ließ. Was bedeutete schon der Verlust eines einzigen ehrlosen Mannes im Fegefeuer? »Was soll’s, nehmen Sie einfach die Seele und gehen Sie. Ich habe mich um wichtigere Angelegenheiten zu kümmern.«
    Die Augenbrauen des Engels sprangen in die Höhe. »Wichtigere Angelegenheiten, als eine Seele in den Himmel zu bringen? Doch wohl kaum.«
    »Vielleicht nicht wichtiger.« Lachlan runzelte die Stirn über die angedeutete Herablassung in der Stimme des Engels. »Aber sicherlich dringender.«
    »Gut«, sagte der alte Mann, nun seinerseits ein wenig verstimmt. »Kommen wir also ohne Umschweife zur Sache. Hand oder Herz?«
    Lachlan überlegte. Beide Methoden führten zum selben Ergebnis, aber das Händeschütteln dauerte länger. »Herz.«
    Der Engel trat ohne einen weiteren Kommentar vor und legte die runzelige Hand auf Lachlans Brust. Wärme machte sich im Körper des Seelenwächters breit. Dann prickelten sämtliche Nervenenden von einer Empfindung, die sich nur mit Freude vergleichen ließ: süß und ruhig, luftig und göttlich. Aber innerhalb eines Herzschlags war die Übertragung beendet und ließ Lachlan mit einem Gefühl der Leere zurück.
    Der Engel nahm die Hand fort. »Schade.«
    Lachlan sah ihn an. »Was ist schade?«
    »Wäre da nicht die Art, wie Sie gestorben sind, so hätten Sie die Himmelspforte passieren und uns auf der oberen Ebene Gesellschaft leisten können.«
    »Das halte ich für unwahrscheinlich. Ich habe mich auch der Sünde der Gier schuldig gemacht.«
    »Hm.« Der alte Mann legte den Kopf schief und musterte Lachlan für einen Moment. »Unbändiger Zorn und Selbstzerfleischung wüten in Ihnen. Aber ich sehe auch großen Mut und Selbstbeherrschung.«
    »Ich nehme an, Sie wollen auf etwas Bestimmtes hinaus?«
    »Nun ja. Mit Ihren Qualitäten könnten Sie anderen helfen. Wenn Sie der Mentor einer Seele auf der mittleren Ebene wären, würde das dem Herrn gefallen und Ihre Chancen auf Erlösung erhöhen. Kennen Sie jemanden, der mit denselben Schwächen wie Sie geschlagen ist?«
    Emilys missmutiges Gesicht kam Lachlan in den Sinn, aber er schob es beiseite. Einem pubertierenden Mädchen zu helfen konnte niemals die Sünden der Vergangenheit wettmachen. Seine Erlösung war unmöglich. »Nein.«
    »Denken Sie darüber nach.« Der Engel konsultierte erneut sein Notizbuch. »Wie viele Seelen haben Sie geholt, seitdem Sie für die Herrin des Todes tätig sind?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Über zweihunderttausend.«
    »Wirklich? Das ist ziemlich bemerkenswert.«
    Lachlan zuckte die Achseln.
    »Und stimmt es, dass Sie noch nie eine Seele, die auf dem Weg in den Himmel war, an einen Dämon verloren haben?«
    »Gewiss.«
    »Hm.« Der Engel kratzte sich erneut an der Nase. »Eine gute Bilanz. Eine sehr gute Bilanz, wirklich.«
    Das Gefühl der Ohnmacht kehrte zurück und brannte in Lachlans Blut. Er hatte Besseres zu tun – nämlich Drusus zu suchen –, als sich in nichtigen Gesprächen über Bilanzen zu verzetteln. Kein Wunder, dass Engel immer zu spät kamen. »Wenn Sie in den Himmel zurückkehren, dann

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