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Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman

Titel: Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette McCleave
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sie beim Blick in seine Augen Verlangen gesehen hatte. Nein, das stimmte nicht. Verlangen war ein zu milder Ausdruck. Es war unbändige Begierde gewesen. Begierde nach ihr.
    Obwohl Rachel das Dasein als alleinerziehende Mutter wenig Zeit für ein Liebesleben ließ, hatte sie die Signale deutlich wahrgenommen, die in Wellen von Lachlans Körper ausgegangen waren. Seine strammen, angespannten Muskeln. Die zusätzliche, neue Note in seinem ohnehin vollen, maskulinen Geruch. O ja, er wollte sie. Und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Ein Blick in diese rauchfarbenen Augen, und Rachel war dahingeschmolzen, hätte sich ihm sofort bedingungslos hingegeben.
    Allerdings war die Tatsache, dass er Priester war, ein wenig hinderlich. Nicht für sie, sondern für ihn. Von Anfang an hatte Rachel Schwierigkeiten gehabt, Lachlan als Geistlichen zu sehen, und mit der Zeit war ihr der weiße Kragen immer weniger aufgefallen. Aber für Lachlan musste dieses kleine Stück Stoff enorm wichtig sein. Ein Priestergelübde legte man nicht schnell ab und bereute es dann nach Belieben. Priester studierten jahrelang, bevor sie diesen Schritt wagten. Und doch hatte sich Rachel ihm zugeneigt, ihn ermutigt und gehofft, dass er die Mauer zwischen ihnen einriss und sie küsste. Was sagte das bloß über ihre moralischen Grundsätze aus? Rachel rieb sich über die Stirn. Wenn Lachlan sie nicht an ihre Arbeit erinnert hätte, dann hätten sie sich – da war sie ganz sicher – auf dem Boden wiedergefunden, ineinander verschlungen, ohne einen Gedanken an alles andere. Sie zweifelte nicht daran, dass allein der Kuss spektakulär gewesen wäre. Zum Henker, wenn Rachel die Augen schloss, konnte sie ihn fast spüren.
    »Ich muss schon sagen, ich bin sehr beeindruckt.«
    Rachel riss die Augen wieder auf.
    Nigel, der in seinem blauen Hemd bemerkenswert frisch und knackig aussah, stand plötzlich neben ihrem Schreibtisch. Die eine Hand hatte er auf die halbhohe Trennwand der Bürobox gelegt, mit der anderen schob er sich gerade die Brille auf die Stirn. Zum Glück waren seine Eulenaugen auf den Monitor gerichtet und nicht auf die wachsende Röte auf Rachels Wangen.
    »Ihre Naturserie ist absolut umwerfend. Die Zeichnungen sind wunderbar elaboriert, und die Spannung, die durch die Lichtquelle entsteht, gefällt mir sehr«, fuhr er fort.
    »Danke.«
    »Sie sind sehr begabt, Rachel. Und klug. Ich habe gehört, dass Sie die Drahtgittermodelle angefertigt haben, die wir für die Entwürfe benutzen.«
    Sie zuckte die Achseln. »Das war doch ganz einfach.«
    »Seien Sie nicht so bescheiden. MaskWeave ist ein sehr kompliziertes Programm. Wir alle sind in Ehrfurcht erstarrt.« Dank eines nachdenklichen Stirnrunzelns legte sich sein gesamtes, fülliges Gesicht in Falten. »Ich habe gesehen, dass Sie bereits acht neue Illustrationen vorgelegt haben.«
    »Das stimmt.«
    »Hm. Matt ist mit der Pop-Art-Serie ein wenig im Rückstand. Ich überlege gerade, ob Sie ihm einige Entwürfe abnehmen könnten.«
    Rachel gefror innerlich. Jede Minute des Wochenendes war bereits verplant. Auf sie warteten acht weitere Musterdateien und eine Tochter, die noch ernsthaft in Schwierigkeiten geraten würde, wenn Rachel nicht mehr Zeit mit ihr verbrachte. »Ich weiß nicht …«
    »Sie sind doch so schnell«, schmeichelte Nigel. »Matt kann da nicht mithalten. Aber wir stecken nun einmal alle in diesem Schlamassel, und wenn einer von uns versagt, versagt das ganze Team.«
    Die Bürobotin kam vorbei und warf einen mit Gummiringen zusammengehaltenen Stapel aus neuen Aufträgen, Ausdrucken und Blaupausen auf Rachels Schreibtisch. Noch vor Ende dieses Tages musste sie sich allen Papieren widmen. Verdammt. Rachel fühlte sich bereits jetzt wie durch den Fleischwolf gedreht, aber wenn sie nicht einsprang, würde das gesamte Projekt darunter leiden. Es würde damit enden, dass ihre gestressten Kollegen noch mehr Arbeit hatten. »In Ordnung, ich übernehme zwei. Wo sind die Unterlagen?«
    »Auf dem Server.« Nigel hatte sein Ziel erreicht und tänzelte in seiner Stifthose und den italienischen Schuhen bereits wieder den Korridor entlang, wobei er eine brechreizverursachende Wolke seines Boss-Parfums hinter sich herzog. »Danke, Liebes. Ich wusste, dass ich auf Sie zählen kann. Wenn es Schwierigkeiten gibt, kommen Sie morgen früh zu mir.«
    Rachel öffnete den Mund, um die schlechte Nachricht zu verkünden, dass sie am Wochenende nicht im Büro sein würde, doch dann schloss sie ihn wieder.

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