Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Vielleicht würden alle so beschäftigt sein, dass sie ihr Fehlen gar nicht bemerkten.
Träumen war doch noch erlaubt, oder?
Rachels Füße waren schwer wie Blei, als sie um elf Uhr abends aus dem Büro nach Hause kam. Einundvierzig Stunden auf den Beinen ohne eine Minute Schlaf forderten ihren Tribut. Die spitzen Pumps hielten die geschwollenen Füße wie kleine eiserne Jungfrauen gefangen. Als sich Rachel die Treppe zum ersten Stock hinaufquälte, war alles, woran sie denken konnte, das Bedürfnis, ihren Kopf schnellstmöglich auf ein Kissen zu betten.
Doch die Erschöpfung verflüchtigte sich mit einem Schlag, sobald sie die Wohnungstür aufgesperrt hatte. Denn auf dem Wohnzimmersofa lag Lachlan MacGregor, die Füße über der Lehne und den rechten Arm unter dem Kopf. Tief und fest schlafend. Vorsichtig schloss Rachel die Tür hinter sich, schlüpfte aus den Folterinstrumenten, die man ihr fälschlicherweise als Schuhe verkauft hatte, und schlich auf Zehenspitzen zu ihm. Lachlan schien das massive Chintzsofa fast zu zerdrücken, so als läge er auf einem Puppenmöbelstück. Seine Füße hatten die Glasschale mit dem Apfel-Zimt-Potpourri auf dem Beistelltischchen bedenklich nahe an die Tischkante geschoben, und eine Hand war von seiner Brust auf den moosgrünen Teppichboden gefallen. Er sah jünger aus, wie befreit. Die Furchen der Lebenserfahrung gruben sich noch immer in seine Stirn, doch der Schlaf glättete sie ein wenig. Rachel stellte beeindruckt fest, wie lang seine Wimpern waren.
Lachlans breite Brust hob und senkte sich unter einem tiefen Atemzug und dann noch einem. Während Rachel keinen Blick von ihm wandte, blähten sich seine Nasenlöcher, und er öffnete blinzelnd die Augen. Sofort entdeckte er Rachel. Lachlans verschleierter Blick spießte den ihren in einem wilden Strudel aus verbotenen, lustvollen Gedanken auf.
»Hi«, sagte sie leichthin und versuchte, den Schauer zu ignorieren, der ihr den Rücken hinunterlief. »Sieht so aus –«
Rachel hatte keine Chance, den Satz zu vollenden. Lachlan packte ihr Handgelenk und zog sie aufs Sofa, auf seine Brust. Er gab Rachel für einen winzigen Augenblick Gelegenheit, zu protestieren – dann tauchte seine Hand in die Wellen ihres Haars ein, umfasste den Hinterkopf und drückte ihre Lippen auf seine.
Rachel schmolz in der glühenden Wärme der festen Umarmung dahin. Jede Erinnerung an die Müdigkeit, das derangierte Aussehen und ihr Schlafbedürfnis wurde von dem Kuss hinweggefegt. Und von welch einem Kuss! Lachlans weicher Mund legte sich mit brachialem männlichem Anspruch auf ihren: nachdrücklich, heiß und besitzergreifend. Seine Zunge tastete sich an den Lippen entlang, und mit leisem Seufzen öffnete sie den Mund. Das Gefühl ihrer Zunge an seiner trug Rachel ein kurzes Stöhnen von Lachlan ein, und für einen Moment ließ sein Drängen nach. Er rückte sich unter Rachel so zurecht, dass sie sich mit dem vollen Gewicht auf ihn legen konnte. Becken stieß nun gegen Becken, und so entging Rachel die harte Erhebung an ihrem Bauch nicht. Lachlans Hand schlüpfte unter Rachels Seidenhemd und strich die Wirbelsäule entlang nach oben. Dabei schickte die Empfindung seiner rauhen Finger auf ihrer Haut süße, anregende Schauer bis in die Spitze jedes einzelnen Nervs. Rachels Atem wurde kürzer, und ihre Brustwarzen zogen sich zusammen. Ihr Bauch bebte, während die Haut empfindlich wie unter einem Fieberschauer wurde. Rachel war so versunken in den Moment, dass sie kaum bemerkte, wie Lachlan fingerfertig den Verschluss des BH s öffnete. Alles, was sie spürte, war Lust. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit fühlte sie sich attraktiv und begehrenswert – fühlte sie sich als Frau. Als sich seine warme Hand über ihrer nackten, ihn schmerzhaft ersehnenden Brust wölbte, stöhnte sie in seinen Mund hinein.
Mit einem Mal unterbrach Lachlan keuchend den Kuss. Er starrte sie einen endlosen, düsteren Augenblick lang an. Rachel blieb fast das Herz stehen. Seine Hand suchte sich einen sicheren Platz auf ihrer Taille. »Du müsstest mir eigentlich eine Ohrfeige geben und mich zum Teufel jagen«, sagte er rauh.
»Nein. So etwas will ich jetzt nicht hören.« Ihr Herz hämmerte noch immer vor heftig erwachter Lust. Rachel küsste sein Kinn, knabberte sich den Unterkiefer entlang und genoss den Moschusduft und die Rauheit von Lachlans Haut. »Ich habe dir heute Mittag ziemlich deutlich gezeigt, dass ich interessiert bin, und ich weiß, dass du nicht
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