Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Nachmittag war ihm genau dieses Muster aufgefallen, hatte er mit den Fingern darübergestrichen, hatte es mit dem Mund liebkost – hatte er die drei kleinen Muttermale auf Rachels rechter Hüfte bewundert.
Während Lachlans Herz frostiges Unbehagen durch seine Adern pumpte, las er die Inschrift unter der Zeichnung: Mutter der Dreifaltigen Seele.
Lachlan erstarrte. Er hatte nie viel auf Zufälle gegeben. Trotzdem – mit Emily schienen zahlreiche zufällige Entwicklungen zusammenzuhängen: Die Herrin des Todes erwärmte sich plötzlich für ein Menschenkind und bestimmte ihren besten Seelenwächter zu dessen Beschützer. Sie gab sogar den bizarren Befehl, dafür zu sorgen, dass das Mädchen am Leben blieb, was wider jede Vernunft und Daseinsberechtigung der Herrin des Todes war. Überdies interessierte sich Satan für dasselbe Mädchen und setzte einen seiner ältesten Verlockungsdämonen auf es an. Außerdem nahm die Zahl der dämonischen Angriffe beständig zu.
War es möglich? Waren die drei winzigen Muttermale auf Rachels Hüfte das, wofür Lachlan sie hielt? War Emily diese einzigartige Dreifaltige Seele? Und was genau bedeutete das überhaupt?
Fast ein wenig in Furcht vor der Antwort beugte sich Lachlan wieder über das Buch und las weiter.
»Er ist zu Hause. Gehen wir.«
Ihre Tochter sah auf. Sie saß am Schreibtisch vor dem Laptop. Einige Chat-Fenster und ein Videospiel waren geöffnet. Ein Glas Milch und eine Schachtel Schokoladenkekse balancierten bedenklich auf einem Haufen Gerümpel. »Wir müssen nicht hingehen«, sagte Em lustlos. »Ich glaube dir, okay?«
»Nein. Ich habe die Nase gestrichen voll davon, dass Drew immer wieder andeutet, ich würde lügen, ich würde all diese Dinge nur sagen, um ihn in ein schlechtes Licht zu rücken. Ich will, dass du die ganze Wahrheit direkt aus Pater MacGregors Mund hörst und seine Schnittwunden mit eigenen Augen siehst. Gehen wir.«
Em seufzte übertrieben und stand vom Stuhl auf. »Na gut, aber ich werde nicht lange bleiben. Ich habe noch einiges zu erledigen.«
»Hoffentlich Hausaufgaben.«
Sie zuckte die Achseln.
»Keine Sorge. Ich habe auch nicht vor, lange zu bleiben.«
Offen gestanden war Rachel gar nicht sicher, ob Lachlan erfreut sein würde, sie zu sehen – nicht nach ihrem letzten Besuch. Obwohl keiner von beiden etwas in diese Richtung geäußert hatte, hatte es sich schrecklich nach einem Lebewohl angefühlt, als sie auseinandergingen.
Sie stiegen die geflieste Treppe zum zweiten Stock hinauf und blieben vor der weißen Wohnungstür stehen, die ihrer eigenen aufs Haar glich – bis auf die glänzende Messingzahl 309. Die Klänge von Michael Bublés neuestem Lied drangen auf den teppichbelegten Flur, und Rachel lächelte. Eine moderne Variante von Songs der alten Schule. Ja, das sah ihm ähnlich.
Sie klopfte an die Tür. Einen Augenblick später stand Lachlan in seiner ganzen Pracht vor ihnen, und Rachels Vorsatz, sachlich zu bleiben, löste sich in Wohlgefallen auf. Die ihre Phantasien hemmende Klerikerkluft war fort, ersetzt durch eine kohlrabenschwarze Jeans, die Lachlans muskulöse Oberschenkel umspielte, und ein perlgraues Hemd, dessen obere Knöpfe offen standen. Er wirkte entspannt, lässig – und unglaublich sexy.
Lachlan blinzelte, als sei Rachel die letzte Person, die er erwartet hatte. »Wir müssen mit Ihnen reden«, sagte sie, während sie sich bemühte, ihrem entgleisten Gesichtsausdruck wieder mehr Ernst zu verleihen. »Wir hatten heute Besuch von Drew.«
Lachlans Blick bohrte sich in ihren, nicht länger höflich distanziert, sondern innig und besorgt, dann flog er rasch über Rachels Körper. Da er sah, dass es ihr offenbar gutging, entspannten sich seine Schultern merklich, und er richtete seine Aufmerksamkeit auf Em. »Warum haben Sie nicht angerufen?«
»Ich hab’s versucht«, antwortete Rachel. »Sie sind nicht rangegangen.«
»Aber ich hatte das Handy –« Lachlan unterbrach sich, schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn und seufzte. »Was ist geschehen?«
»Nichts, er ist wieder gegangen. Aber er ließ sich nicht davon abbringen, dass Sie in Bezug auf den Überfall gestern Nacht gelogen haben. Und jetzt hätte ich gern, dass Em die Wahrheit hört. Von Ihnen.«
»Die Wahrheit?«
Rachel nickte. »Können wir kurz hereinkommen?«
»Rachel, ich –«
»Es dauert nur eine Minute«, versicherte sie, ohne auf seinen Protest zu achten. Rachel drängte sich an ihm vorbei in die Wohnung, in der
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