Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Hoffnung, dass ihr letzter Besuch unerwähnt bliebe. »Em und ich können uns sowieso nicht lange hier aufhalten.«
Lachlan schloss die Tür und führte die beiden langsam ins Wohnzimmer, das Rachel allmählich so vertraut wurde wie ihr eigenes. Sogar so sehr, dass sie unwillkürlich den Spiegel mit dem Schmuckrahmen geraderückte, der ein wenig schief an der Wand hing.
Unter dem weichen Licht des Kronleuchters sah Lachlans Gesicht genauso aus wie damals, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte: klassisch schön. Wie seltsam. Nicht der Schatten eines blauen Auges war zurückgeblieben. Erstaunlicherweise war er auch die Stufen zum Wohnzimmer ohne zu humpeln hinuntergestiegen. Aus irgendeinem Grund schlug Rachels Herz ein wenig schneller, als sie sagte: »Zeigen Sie Em einfach die Schnittwunden auf Ihrer Brust. Dann sind wir schon wieder draußen.«
Lachlan stand ganz still da, den Blick auf Rachels Gesicht geheftet. »Das kann ich nicht.«
»Warum nicht?«
Em lauschte dem Wortwechsel mit wachsendem Interesse. Sie hatte aufgehört herumzuzappeln und die Kopfhörer aus den Ohren genommen.
»Es geht nicht.«
»Es geht nicht? Sie haben sie mir gezeigt. Warum können Sie sie nicht auch Em zeigen?«
»Rachel, das ist –«
»Sie haben mich wohl nicht ganz verstanden«, sagte Rachel lauter. »Em glaubt Drew. Er ist wirklich sehr überzeugend. Zeigen Sie ihr, was er Ihnen angetan hat, damit sie sieht, welches Monster er ist.«
»Ich kann nicht.«
»Wollen Sie, dass sie ihm glaubt?«
»Natürlich nicht.« Lachlan wandte sich an Em. »Emily, Drew hat mich letzte Nacht wirklich angegriffen. Ich habe ihn eindeutig erkannt.«
Em runzelte die Stirn. »Aber Sie sind viel größer und stärker als er. Wie konnte er gegen Sie gewinnen?«
»Sie haben ihn zu mehreren angegriffen, deshalb«, antwortete Rachel in aufkeimendem Zorn bei der Vorstellung, wie eine Horde von Jugendlichen in Lederjacken auf Lachlan einschlug. »Drew und seine ganze Gang.«
»Eigentlich stimmt das nicht«, erwiderte Lachlan mit schnellem Blick auf Rachel. »Er hat mich allein angegriffen. Kleiner bedeutet nicht immer schwächer, Emily, und er ist ein sehr geschickter Kämpfer.«
»Warum sollte Drew das tun? Warum sollte er einem Priester schaden wollen?«
»Drew kennt mich. Er weiß, dass ich dich beschützen will, und er weiß, dass ich nicht so leicht davon abzubringen bin.«
»Sie kannten sich schon, bevor Sie hierherkamen?«
»Genau.«
Em legte den Kopf schief. »Hatte er etwas mit dem Tod Ihrer Frau zu tun?«
Rachel hielt den Atem an. Frau? Welche Frau?
Lachlans Augen verdüsterten sich. »Ja.«
Em verschränkte die Arme über der schwarzen Lederweste. »Eine interessante Geschichte, Pater MacGregor, und ich möchte Ihnen ja auch glauben. Aber Sie wirken gar nicht verletzt. Wenn Drew Sie überfallen hätte, wie Sie sagen, müssten Sie dann nicht blaue Flecken oder Schnittwunden oder so etwas haben?« Lachlan schwieg. »Das ist alles gar nicht geschehen, oder?«
»Natürlich ist es geschehen«, sagte Rachel, noch immer bestürzt über die Neuigkeit, dass Lachlan verheiratet gewesen war. »Ich habe seine Verletzungen mit eigenen Augen gesehen.«
»Vielleicht spielst du bei dieser Farce ja mit.« Ems geschminkte Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Vielleicht ist das alles Teil deines großen Plans, mich und Drew auseinanderzubringen.«
»Warum sollte ich mich in diese peinliche Situation hier bringen, nur damit du und Drew euch nicht mehr trefft?«, konterte Rachel. Entschlossener denn je, zu beweisen, dass ihre – und Lachlans – Geschichte stimmte, streckte sie die Hand nach Lachlans Hemd aus.
»Nicht, Rachel.« Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest.
Sie entwand sie ihm. »Zeigen Sie es ihr doch endlich, verdammt!«
»Ich kann nicht.«
Em schüttelte langsam den Kopf. »Er kann uns die Schnittwunden nicht zeigen, weil sie gar nicht da sind. Ist doch so, oder, Pater MacGregor?«
»Em, das ist lächerlich.«
»Ist doch so, oder, Pater?«, wiederholte Em mit fester Stimme.
»Um Himmels willen!«
Rachel schlug Lachlans Hände weg und begann sein Hemd aufzuknöpfen. Weiter und weiter, bis seine ganze Brust bloßgelegt war. Rachel erstarrte. Es war keine Spur mehr von den langen, schmalen Schnittwunden zu sehen, die sich noch Stunden zuvor dort befunden hatten. Nicht einmal Kratzer oder Schorf waren zurückgeblieben.
Verstört hob sie den Blick zu Lachlan. »Wie ist das möglich?«
»Sie waren gefälscht, Mom.
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