Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
Es war alles ein großer Schwindel.«
Rachel schüttelte den Kopf. Sie dachte an das Blut, das aus den Wunden getreten war, die durchtrennten Hautschichten, an Lachlans Blässe. »Nein, ich habe sie gesehen. Sie haben geblutet.«
Lachlan ergriff Rachels zitternde Hände und drückte sie an sein Herz. Seine Augen waren weiche graue Wolken. »Rachel …« Das Herz schlug stark und regelmäßig unter ihren Fingern. Es war eindeutig gesund, eindeutig unverletzt. Die nackte Haut war warm und glatt und bis auf einige alte weiße Narben ganz und gar unversehrt.
Rachel riss sich los und wich zu Em zurück. Das Gefühl, betrogen worden zu sein, zerwühlte ihre Eingeweide, und heiße Tränen brannten hinter ihren Lidern. Sie hatte diesem Mann vertraut, ihm geglaubt – mit ihm geschlafen. Gott, wie ein dummes Schulmädchen hatte sie sich von diesem schönen Menschen einwickeln lassen. »Ein Schwindel? Sie haben all das getan, um mich zu täuschen?«
»Es war kein Schwindel.«
»Dann erklären Sie es«, flehte sie. »Wieso sind die Schnittwunden verschwunden?«
»Sie sind geheilt.«
»In nicht einmal einem Tag? Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Mein Körper erholt sich sehr schnell.«
»An dieser Geschichte werden Sie wohl noch feilen müssen.« Rachel sandte ihm einen, wie sie fand, vernichtenden Blick. Es war schwierig, festzustellen, wie er bei ihrem Gegenüber ankam, da Rachels Augen in Tränen schwammen und die Unterlippe zitterte. »Komm, Em, wir gehen.«
»Rachel, warten Sie. Ich muss mit Ihnen reden. Allein.«
An der Tür drehte sich Rachel noch einmal um. »Ich glaube, für heute habe ich genug gehört«, sagte sie, und ihre Stimme klang so müde, wie sich Rachel fühlte. »Ehrlich gesagt, ganz gleich, wann Sie es mir sagen wollen – ich will es nicht hören.«
»Es ist aber wichtig.«
»Wirklich?« Sie lächelte gequält. »Und ich dachte, all die anderen Gespräche, die wir heute geführt haben, seien ebenfalls wichtig gewesen. Aber offenbar lag ich damit falsch.«
Und weil sie einen schmachvollen Zusammenbruch fürchtete, packte sie Em bei der Hand, riss die Tür auf und ging.
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12
R achel holte tief Luft und trat in Celias Büro.
»Setzen Sie sich.«
Ähnlich einer Schülerin, die vor den Direktor zitiert wurde, tat sie, wie ihr geheißen war, und ließ sich in einem der beiden Sessel vor dem nierenförmigen Schreibtisch nieder. Die vor Schweiß klebrigen Hände verbarg Rachel in den Falten ihres Volantrocks. Während sie darauf wartete, dass Celia das einzige Blatt Papier auf dem Schreibtisch durchgelesen hatte, sah sich Rachel um. Eine Reihe von Chagall-Drucken zierte die Wände, und durch ein riesiges, raumhohes Fenster fiel wärmendes Licht in das ansonsten steril wirkende Arbeitszimmer.
Rachels Chefin schob den Bericht beiseite, stützte die Ellbogen auf und betrachtete Rachel kühl. Ihr weizenblondes Haar war über einem Auge durch einen schwungvollen Pony gescheitelt. »Ich war nicht gerade erfreut darüber, dass Sie gestern das Büro so früh verlassen haben.«
»Ich hatte Nigel Bescheid gesagt, bevor ich ging.«
»Das weiß ich. Aber Ihnen ist klar, dass ich viel davon halte, wenn meine Designer zusammenarbeiten und sich gegenseitig zu neuen kreativen Leistungen antreiben, nicht wahr?«
»Ja.«
»Und trotzdem sind Sie gegangen.«
»Ja.«
»Wenn es nur Sie betreffen würde, Rachel, wäre das kein Problem. Sie liefern stets die besten Illustrationen der Abteilung ab und überschreiten nie eine Deadline. Aber das hier ist ein Team, keine One-Woman-Show.«
»Das ist mir bewusst.«
»Tatsächlich?« Celias Ledersessel knarrte, als sie sich zurücklehnte. »Sind Sie sich auch bewusst, dass die Junior-Designer zu Ihnen aufschauen? Dass sie hoffen, eines Tages Ihr Niveau zu erreichen? Und sind Sie sich bewusst, dass Ihre Senior-Designer-Kollegen sich darauf verlassen, dass Sie ihnen mit Ihrem Können helfen?«
»Ich helfe doch bereits, wo ich kann.«
»Nein, das tun Sie nicht. Sie liefern Leistung ab, aber sie bringen nicht das nötige Engagement mit.« Celia seufzte tief. »Sie können so viel mehr, als Sie uns zeigen, Rachel. Da bin ich sicher. Aber offen gestanden weiß ich nicht mehr, wie ich Sie noch dazu bringen soll, Ihr ganzes Potenzial in die Waagschale zu werfen.«
»Ich bin alleinerziehende Mutter, Celia. Ich kann meinem Beruf nicht so viel Zeit widmen wie andere. Außerdem hat meine Tochter neulich einen schrecklichen Busunfall gehabt.«
»Aber es geht ihr doch
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