Wächter der Seelen / Gefährlich wie ein Engel. Roman
her war?
»Na gut, schicken Sie ihn herauf.«
»Ihn?« Mandy lehnte sich mit blitzenden Augen über die Stellwand der Bürobox. »Ist das vielleicht der mysteriöse Fremde, nach dem du gestern sehen wolltest? Der Priester?«
Trotz des beharrlichen Versuchs, sich nichts anmerken zu lassen, spürte Rachel, wie ihre Wangen unter Mandys neugierigem Blick zu glühen begannen. Sie hatte am Tag zuvor nach jemandem gesehen, ja, aber war das derselbe Lachlan, der gerade auf dem Weg zu ihr war? »Vielleicht.«
»Ich hole ihn vom Aufzug ab.«
»Nein!«, protestierte Rachel und sprang auf die Füße. Aber sie war zu langsam. Mandy ließ ihren Kaffee auf der Kante der Stellwand stehen und sauste wie ein Windhund aus der Startbox davon.
Drei Minuten später kam sie mit Lachlan im Schlepptau wieder. Sie hatte ihn untergehakt, schien zu flirten, was das Zeug hielt, und warf verführerisch das Haar zurück. »Ich habe Lachlan eben erzählt, wie du sagtest, dass er nicht süß sei«, sprudelte es aus Mandy hervor. »Aber in diesem Punkt kann ich dir absolut nicht recht geben.«
Die meisten Männer, die sich in den Fängen dieser vollbusigen kleinen Blondine mit einem Minirock, der leicht mit einem Tanga verwechselt werden konnte, wiederfanden, hätten alles darangesetzt, dass sich an dieser Situation nichts änderte. Doch nicht Lachlan. Sobald er Rachel entdeckte, hatte er nur noch Augen für sie – unbeirrt, besorgt und seltsam besitzergreifend. Als würde sie ihm gehören, und er käme nur kurz vorbei, um sie daran zu erinnern. Rachel verzieh ihm fast auf der Stelle. Dieser Verbrecher. Wie konnte er es wagen, in Jeans und T-Shirt derart gut auszusehen.
»Hallo«, sagte er, während sein Blick den ihren suchte. »Wie geht es dir?«
»Du bist den ganzen Weg hergekommen, um mich zu fragen, wie es mir geht? Hättest du das nicht auch am Tel–« Sie unterbrach sich, als ihr einfiel, was er das letzte Mal auf diese Frage geantwortet hatte. Etwas, das mit Lippen und nackten Füßen zu tun hatte. Lachlans ironischem Lächeln entnahm sie, dass er sich ebenfalls erinnerte, aber er war Gentleman genug, es nicht zu erwähnen.
»Ich würde gern mit dir sprechen. Unter vier Augen«, erwiderte er.
Mandy schmollte. »Keine Sorge. Rachel und ich sind Busenfreundinnen. Ich werde nichts von dem ausplaudern, was Sie sagen. Außerdem kann Rachel nicht schon wieder ausbüchsen.«
»Das stimmt. Ich stecke bis über beide Ohren in Arbeit. Vielleicht sagst du einfach, was du zu sagen hast, und gehst dann wieder.«
Lachlan befreite sich sanft aus Mandys Griff, während er nicht eine Sekunde lang den Blick von Rachels Gesicht abwandte. »Ich habe vor, dir alles über mich zu erzählen, und damit meine ich wirklich alles. Aber das muss unter vier Augen geschehen.«
Alles? Rachel biss sich auf die Lippen. Wollte sie tatsächlich alles über Lachlan MacGregor wissen? Sie hatte das ungute Gefühl, dass sie seine Geschichte nicht gern hören würde. Seine Auskunft darüber, was mit den Verletzungen geschehen war, hatte ihr überhaupt nicht gefallen. Selbst jetzt wusste sie nicht, was sie davon halten sollte. Die Schnittwunden und das Blut hatten derart echt gewirkt! Und doch waren sie es vermutlich nicht gewesen … oder? Die ärgerliche Wahrheit war allerdings – trotz all der Lügen und verrückten Geschichten –, dass sie zu diesen rauchgrauen Augen nicht nein sagen konnte. »Na gut, dann komm. Um die Ecke befindet sich ein kleiner Besprechungsraum.«
»Rachel, bist du wahnsinnig?«
Sie sah in Mandys entgeistertes Gesicht. »Druck Matts Entwürfe aus und leg sie mir auf den Schreibtisch. Es wird nicht lange dauern.« Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und führte Lachlan, stets auf Sicherheitsabstand bedacht, den Gang entlang. Um die neugierigen Blicke ihrer Kollegen zu vermeiden, zog sie ihn schnell in den Besprechungsraum hinein, der angesichts von Lachlans Körperlänge unglaublich klein wirkte. »Also gut.« Rachel brachte den Tisch zwischen ihn und sich. »Ich habe wirklich nicht viel Zeit, also heraus damit. Was möchtest du mir sagen?«
»Du solltest dich lieber hinsetzen.«
»Das fängt ja gut an.« Rachel seufzte, zog sich dann aber einen Stuhl heran und ließ sich darauf nieder.
»Es ist nicht einfach, dir das zu erzählen, denn du wirst mir nicht glauben – ganz gleich, welche Worte ich wähle. Also werde ich es dir freiheraus sagen.«
»In Ordnung.«
Lachlan atmete einmal tief durch. »Ich bin tot.«
Rachel
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