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Wächter der Venus

Wächter der Venus

Titel: Wächter der Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Ewers
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fremdartigen Körper geht. Nur deshalb hatte man mich ausgesucht – und weil ich von meinem Onkel James erzogen worden war, einem verfemten Nexialisten, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, die Menschen zu flexiblem Denken zu erziehen. Soviel ich wußte, hatte er vor den Beauftragten des Sicherheitskomitees fliehen können, als sie ihn auf dem Mars verhaften wollten. Wo er sich jetzt aufhielt, wußte ich nicht. Die Zeit in der Anpassungsakademie hatte mich auch viel zu sehr beansprucht, als daß ich in der Lage gewesen wäre, Nachforschungen anzustellen.
    Der Soldat seufzte mitleidig.
    »Achtzehn Jahre, und noch so kindlich! Du lieber Himmel! – Na, komm einmal mit. Für dich werden wir auch noch eine Raumausrüstung finden. Es macht sich immer gut, das Muttersöhnchen eines Bosses mit heimzubringen. Das warst du doch, nicht wahr?«
    Nun war ich absolut sicher, daß er mich für einen Verformten hielt. Sonst hätte er es niemals gewagt, den vermeintlichen Sohn eines hohen Bürokraten oder Etappenoffiziers Muttersöhnchen zu nennen.
    »Ich war es«, entgegnete ich mit soviel Abscheu in der Stimme, wie ich aufzubringen vermochte. »Jetzt bin ich Venusier!«
    »Okay, Ellery! Ich bin Nat Corranda. Aber du kannst einfach Nat zu mir sagen, klar?«
    »Klar, Nat!«
    Er brummte befriedigt, packte mich am Oberarm und führte mich einen Seitengang hinein. Nach etwa hundert Metern gelangten wir in eine Kammer, die mich an das Bordmagazin der SKANDERBEG erinnerte. Hier hingen Raumanzüge unterschiedlicher Größe in Reih und Glied, lagen Waffengurte in den Regalen und drängten sich nackte und halbnackte Raumsoldaten, um sich neue Ausrüstung zu beschaffen.
    Nat Corranda schwang sich einfach über die Barriere, ohne auf die Protestrufe der anderen zu achten. Nach kurzer Zeit kam er zurück, beide Arme mit Ausrüstungsstücken behängt.
    Mir war alles viel zu groß. Aber nachdem ich im Raumanzug steckte, fühlte ich mich schon viel wohler. Jetzt würde mich niemand mehr als irdischen Geheimagenten erkennen, vielleicht nicht einmal Agkora, denn er hatte nicht gewußt, daß ich nur ein Halbwüchsiger war. Wenn er seinen Gefangenen vermißte, würde er nach einem Erwachsenen suchen.
    Aus diesem Grund warf ich meinen ursprünglichen Ausbruchsplan wieder um.
    Entfernte ich mich allein von den anderen, mußte ich unweigerlich auffallen. In der Masse jedoch genoß ich den größtmöglichen Grad an Sicherheit.
    So glaubte ich jedenfalls.
    Bis ich merkte, daß die etwa fünfhundert Raumsoldaten in Bewegung geraten waren. Ständig verschwanden einige durch eine Seitentür. Sie kehrten nach längerer Zeit wieder zurück, aber mir entgingen die mißtrauischen Blicke nicht, die sie auf uns andere warfen.
    Kein Zweifel: Agkora hatte meine Flucht entdeckt und richtig vermutet, ich müßte mich unter die Verformten gemischt haben.
     
    *
     
    Während ich noch überlegte, was zu tun sei, kam mir Nat Corranda unwissentlich zu Hilfe.
    »Ich werde mich mal dort drüben umhören, Kleiner. Kommst du mit?« fragte er mich.
    Ich nickte, ohne allzu große Begeisterung zu zeigen.
    »Wenn du lieber hierbleiben möchtest…?« begann Nat.
    »Nein, nein!« erwiderte ich hastig. »Ich kenne ja sonst niemanden von den Soldaten.«
    Er lachte dröhnend.
    »Soldaten …! Wir sind alle Venusier, Ellery. Kapiert?«
    »Jawohl, Sir!« Ich salutierte grinsend.
    Nat grinste zurück, und einige der Leute in der Nähe grinsten ebenfalls.
    Neben dem hünenhaften Raumsoldaten schritt ich zur gegenüberliegenden Seite des Aufenthaltsraums. Dabei mußte ich mich immer öfter gewaltsam zusammenreißen, um keine verfänglichen Fragen zu stellen. Mir war es unbegreiflich, daß alle diese vor Kraft und Gesundheit und guter Laune strotzenden Männer in Wahrheit gar keine Erdmenschen mehr waren, sondern nur Venusier in der Maske terranischer Raumsoldaten, mit dem Ziel, die Menschheit zu versklaven.
    Aber andererseits – benahmen sich so Leute, die ihrer Freiheit beraubt worden waren?
    Ich fand keine Antwort auf alle diese Fragen. Doch ich begriff, daß dies nicht an den verworrenen Verhältnissen lag, sondern einzig und allein an der Fragestellung. Vielleicht war ein Mensch wegen seiner spezifischen Mentalität gar nicht in der Lage, das Problem zu analysieren.
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie Dubois, der Sicherheitsbeauftragte, an das Problem herangegangen wäre.
    Das Ergebnis erschreckte mich.
    Mr. Dubois hätte, so wie ich ihn kannte, nur zwei Seiten gesehen: hier die

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