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Wächter der Venus

Wächter der Venus

Titel: Wächter der Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Ewers
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Erdmenschen – und dort die Venusier. Für ihn wären alle echten Erdmenschen Freunde, alle Neu- und Altvenusier aber Todfeinde gewesen. Eine typische Schwarz-Weiß-Malerei, wie sie den Denkschemata der irdischen Menschheit unseres Jahrhunderts entsprach.
    In der Vergangenheit hatte es Augenblicke gegeben, in denen ich an der Richtigkeit der Lebensauffassung Onkel James’ gezweifelt hatte; nun aber begriff ich, daß nur der Nexialismus – oder die Allgemeine Dialektische Synthetik, wie Onkel James diese Wissenschaft genannt hatte – die Menschheit aus der Sackgasse ihres gegenwärtigen Denkens herausführen konnte.
    Ich schrak auf, als Nats gutmütig polternde Stimme ertönte.
    »Hallo, Freunde!« sagte er dröhnend. »Was will denn der Koordinator von uns?«
    Mich schmerzte die Plumpheit seines Vorgehens, wenn ich auch anerkennen mußte, daß es für Nats Lauterkeit sprach, keine Winkelzüge zu versuchen. Nur würde er damit leider keinen Erfolg haben.
    Ich hatte mich geirrt.
    Die Blicke der uns gegenüberstehenden Raumsoldaten waren offen und ohne Verschlagenheit.
    »Geh hinein und frage ihn, Großer«, sagte ein untersetzter Mann mit den Rangabzeichen eines Captains. »Wir möchten im Interesse der Untersuchung keine Auskunft geben.«
    Unwillkürlich öffnete ich den Mund und vergaß, ihn wieder zu schließen.
    Diese Antwort war noch naiver gewesen als die Frage. Selbstverständlich wollten die Leute vermeiden, daß der gesuchte Geheimagent der Erde Verdacht schöpfte; da sie aber von einer Untersuchung gesprochen hatten, würde sich jeder Geheimagent an den Fingern abzählen können, daß nur er das Objekt der Untersuchung sein konnte.
    Einem Captain der Raumflotte hätte ich entschieden mehr Verstand zugetraut.
    »Okay!« vernahm ich Nats Baß. »Mit dem nächsten Schub gehen wir hinein.«
    Ich erschrak.
    Gleichzeitig traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag.
    Ich hatte bei meinen Überlegungen wieder einmal vergessen, daß diese Männer trotz ihrer menschlichen Gestalt und ihrer Raumanzüge und Rangabzeichen keine Erdmenschen mehr waren, sondern eben Venusier – und ein Venusier log nicht!
    Das, was ich für Naivität gehalten hatte, war für venusische Begriffe eine selbstverständliche Eigenschaft. Nur irdische Mentalität konnte auf den Gedanken kommen, es handelte sich um das Fehlen einer zur Intelligenz gehörenden Qualität.
    Im ersten Augenblick glaubte ich, aus dieser Tatsache einen Vorteil für mich ableiten zu können, denn wie wollte Agkora feststellen, daß einer von den ehemaligen Raumsoldaten nicht die Wahrheit sprach?
    Aber dann erkannte ich, daß dies ein Fehlschluß war. Der Venuswächter war intelligent und clever genug, Fangfragen zu stellen und so den einzigen Mann herauszufinden, dessen Antworten nicht absolut auf Tatsachen basierten. Dieser eine aber mußte dann der gesuchte Geheimagent sein.
    Ich räusperte mich halblaut.
    Nat wandte sich um und blickte mich fragend an.
    »Was gibt es, Ellery?«
    »Ich … ich muß mal austreten, Nat«, flüsterte ich mit gespielter Verlegenheit.
    Er grinste.
    »Und du weißt nicht, wo die Toiletten sind, wie …?«
    »Hm …!« erwiderte ich zögernd.
    Nat kratzte sich am Kopf.
    »Ich muß gestehen, daß ich ebenfalls keine Ahnung habe. – Heh!« wandte er sich an den Mann in dem Raumanzug eines Captains. »Der Bursche hier muß mal. Weißt du, wo sich die entsprechenden Örtlichkeiten befinden?«
    Der Captain schüttelte den Kopf. Sein Mienenspiel drückte Verblüffung aus.
    Plötzlich überlief es mich siedendheiß.
    Ich hatte eine riesengroße Dummheit begangen.
    Ein echter Venusier vermochte seine Abfallstoffe so umzuwandeln, daß sie im Körper verbleiben konnten. Aus diesem Grund benötigte er keinen Ort, an dem er Ausscheidungen loswurde. Den falschen Raumfahrern mochte erst jetzt bewußt werden, daß sie seit ihrer Verformung keinerlei Bedürfnisse verspürt hatten.
    Offenbar jedoch wußten sie noch nicht, warum.
    Aber es konnte nicht lange dauern, bis einer von ihnen die richtige Antwort fand – und dann war ich entlarvt.
    »Okay!« sagte ich möglichst unbefangen. »Dann sehe ich mich selbst einmal um.«
    »Hm!« brummte Nat »Sag uns nachher Bescheid, ja?«
    Ich nickte und verschwand so schnell, wie es nur möglich war, ohne aufzufallen.
    Natürlich verspürte ich ebenfalls kein Bedürfnis, eine Toilette aufzusuchen, da mein venusischer Syntho-Gastkörper das Problem ohne willentliches Zutun löste, aber in meiner Unwissenheit war ich

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