Wächter der Venus
des Sicherheitskomitees erzählt, unter anderem auch über die zermürbenden Verhöre, denen ein Gefangener ausgesetzt wurde.
Ich hatte nie daran geglaubt. Meiner damaligen Ansicht nach war Onkel James auf irgendwelche Greuelmärchen hereingefallen, und die Zeit nach der Übersiedlung auf die Erde schien das zu bestätigen.
Der hohe technische Stand der Erdzivilisation, die großzügigen Wohnungen, der Überfluß an Nahrungsmitteln, die Freizügigkeit des ganzen sichtbaren Lebens hatten mich blind gemacht für die unter der Oberfläche liegenden Kernprobleme. Ich fand, daß die menschliche Gesellschaftsordnung den Idealzustand erreicht hätte – und eigentlich hatte ich noch bis zu meiner Ankunft in der Zelle daran geglaubt.
Ich fragte mich, ob solche hervorragenden Wissenschaftler wie Sergius Cato, Andreas Hardenstein, Ahmed Bucharin und Levinson ebenso getäuscht worden waren. Es erschien mir unwahrscheinlich.
Aber warum hatten sie dann nicht längst etwas gegen das Sicherheitskomitee unternommen?
Ich schüttelte den Kopf.
Auf ihre eigene Art würden sie dagegen angekämpft haben, dessen war ich sicher. Jedoch mit einem rein intellektuellen Widerstand war der Macht des Komitees nicht beizukommen, denn er würde von den einfachen Leuten nicht verstanden werden. Nur die Aufklärung der gesamten Erdbevölkerung konnte helfen – und die Organisierung eines aktiven Widerstandes.
Doch jetzt war es für solche Überlegungen zu spät.
Das Sicherheitskomitee würde alle diejenigen Kräfte ausschalten, die seine Politik nicht akzeptierten – und in wahnwitziger Verblendung würde die Menschheit ins Verderben rennen.
Mein Körper straffte sich unwillkürlich, als ein scharfes Klicken die Auslösung des Türmechanismus anzeigte.
Gleich darauf öffnete sich die Tür. Draußen stand ein Wächter in schwarzer Uniform.
»Mitkommen!« befahl er.
Schweigend verließ ich die Zelle und marschierte neben meinem Bewacher durch den hell erleuchteten Flur. Von irgendwoher kam das Rumoren starker Maschinen. Aber es wurde durch die vielen Wände gedämpft.
Ich dachte vorübergehend an Flucht, verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder.
Wohin hätte ich in einem Raumschiff voller Soldaten fliehen sollen!
Plötzlich flog die Tür am Ende des Flures auf.
Ich preßte die Lippen zusammen, um nicht laut aufschreien zu müssen.
Die blutig geschlagene Gestalt war niemand anderes als Professor Hardenstein.
Die Wächter zogen ihn mehr, als daß er selbst ging. Seine Augen waren geschlossen von brutalen Schlägen. Dennoch mußte er mich erkannt haben, denn im Vorbeigehen bewegte er die aufgeplatzten Lippen.
»Kopf hoch, mein Junge!«
Unwillkürlich blieb ich stehen. Aber ein Tritt ins Gesäß beförderte mich weiter.
Rasend vor Schmerz und Wut fuhr ich herum – und sah in die Mündung einer Schockwaffe.
Dennoch hätte ich mich auf den Wächter gestürzt, wenn er es unterlassen hätte, mir »Na, komm schon, du Rotzlümmel!« zuzuraunen.
Ich merkte, daß er mich provozieren wollte.
Schweigend wandte ich mich wieder der offenen Tür zu und trat hindurch.
Drei Männer erwarteten mich. Einer war Denis Dubois. Sein haßerfüllter Blick verhieß nichts Gutes. Einen Augenblick dachte ich daran, daß es besser gewesen wäre, ich hätte die Venus nie wieder verlassen. Doch dann schämte ich mich dieser Einflüsterung. Mein Platz war hier, ganz gleich, ob ich etwas erreichte oder nicht, ob man mich einsperrte, mißhandelte oder auf mich hörte.
»Setz dich!« befahl einer der Blaugekleideten.
Beim Klang der Stimme schöpfte ich wieder Hoffnung. Sie war ohne Haß oder Groll gewesen, sondern fast freundlich.
Ich ließ mich in einen Schalensessel fallen und wartete.
»Du bist Berry Grand?« fragte derselbe Mann wieder. Er trug die Rangabzeichen eines Rauminspekteurs des Sicherheitskomitees und war demnach derjenige, der das Verhör leiten würde, denn die beiden anderen hatten nur die Ränge von Beauftragten.
»Ja, Sir!« antwortete ich.
»Kannst du das beweisen?« fragte Dubois dazwischen.
Ich sah den Inspekteur fragend an, aber der blickte wie geistesabwesend zur Zimmerdecke.
»Antworte!« fuhr Dubois mich an.
»Soviel ich weiß, müssen Sie mir das Gegenteil beweisen, Mr. Dubois«, sagte ich langsam. »Solange Sie das nicht getan haben, bin ich Berry Grand.«
Dubois’ stechender Blick richtete sich auf einen Punkt hinter mir.
Plötzlich wurde ich von starken Fäusten ergriffen. Eine Ohrfeige schleuderte mich quer durchs
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