Wächter des Elfenhains (German Edition)
Leidens noch geblieben war.
Er grub seine Fingernägel noch tiefer in sein Fleisch, und seine Zähne mahlten knirschend aufeinander, hielten den verzweifelten Schrei zurück, der aus seinem Inneren hervorbrechen wollte. Zitternd schloss er die Augen, versuchte die würgende Übelkeit niederzudrücken, die seinen Magen zusammenkrampfte, während die Welt im Rhythmus seines hämmernden Herzschlags um ihn zu schwanken begann und sich seine Kehle immer mehr anfühlte, als habe ihm jemand einen Eimer mit Sand in den Rachen gekippt, der langsam in seine Lungen hinabrieselte und ihm unerbittlich die Luft abschnürte. Schon spürte er die dunklen Schwingen der Ohnmacht, die zärtlich über seinen Geist strichen, ihn forttragen wollten von diesem schrecklichen Ort, der nichts als Qual und Einsamkeit für ihn bereithielt. Doch er durfte ihrem Ruf nicht folgen, sich der lockenden Dunkelheit nicht ergeben. Würde er wieder einmal wie ein nasser Sack Mehl von seinem Stuhl rutschen, würde sich das Füllhorn höhnischen Spotts, das seine Klassenkameraden jeden Tag aufs Neue mit den erlesensten Kostbarkeiten aus dem unerschöpflichen Vorrat ihrer Giftküche füllten, zweifelsohne auf der Stelle über ihn ergießen, und ihm stand so früh am Morgen noch nicht der Sinn danach, seine schutzlose Kehle den Wölfen darzubieten. Er musste durchhalten! Bald würde der Pausengong das Ende des Martyriums verkünden, und er konnte ...
„McKay! Wünschen Eure Lordschaft vor dem Zubettgehen noch ein Tässchen heiße Milch mit Honig, oder seid Ihr bereits in die süßen Gefilde des Schlafs entschlummert?“
Erschrocken riss Andion die Augen auf. Die kolossale Gestalt Mr. Colegraves ragte wie ein Berg vor ihm in die Höhe – ein Berg mit tückischen kleinen Augen, die boshaft auf ihn herabstarrten, und einem erwartungsvollen Haifischgrinsen auf den wulstigen Lippen.
Andion hatte nicht bemerkt, wie der Lehrer nähergekommen war, hatte nicht die Bugwelle aus kalter Wut und hämischer Vorfreude gespürt, die sich durch die emotionsgeschwängerte Luft auf ihn zubewegt hatte.
Nun war geschehen, was er um jeden Preis hatte vermeiden wollen. Mr. Colegrave hatte ihn am Haken, und er würde ihn so lange zappeln lassen, bis er ihn mit dem Gesicht nach unten in den Staub getreten hatte. Der fette Geschichtslehrer war niemand, den man sich leichtfertig zum Feind machte – aber aller guten Vorsätze zum Trotz hatte Andion das in nur wenigen Stunden fertiggebracht.
Scharfkantige Splitter aus zerbrochenen Träumen, aus Bitterkeit und Enttäuschung und dem boshaften Wunsch, andere Menschen für die ihm zugefügten Schmerzen bluten zu lassen, prasselten wie ein Regen aus Eiskristallen auf ihn nieder, als sich der Geschichtslehrer mit seinen baumstammdicken Armen auf seine Tischplatte stützte und sich mit einem verächtlichen Grinsen zu ihm herabbeugte.
„Ich bitte um Vergebung, Mylord, sollten die groben Worte des Pöbels Euer zartes Gemüt in ungebührlichen Aufruhr versetzt haben.“ Mr. Colegraves Stimme troff vor Hohn. „Wer bin ich, Euer göttliches Genie in Frage stellen und dem gewaltigen Schatz Eures Wissens meine eigenen armseligen Kupferstücke hinzufügen zu wollen?“ In einer absurden Parodie demütiger Zerknirschung neigte der Geschichtslehrer seinen massigen Schädel.
Schadenfrohes Gekicher erhob sich um ihn herum. Andion knirschte mit den Zähnen. Den Blick starr auf das Blatt Papier gerichtet, das vor ihm auf dem Tisch lag, presste er ein mühsames „Es tut mir leid, Sir“ hervor, wohl wissend, dass nichts von dem, was er sagte oder tat, Mr. Colegrave davon abhalten würde, ihn vor der versammelten Klasse zu Wurstgulasch zu verarbeiten.
Doch obwohl alles in ihm danach schrie, aufzuspringen, aus dem nächsten Fenster zu hechten und so lange zu rennen, bis er mindestens tausend Meilen zwischen sich und die düstere Wolke aus Herablassung und Wut gebracht hatte, die bedrohlich und kalt vor ihm in die Höhe ragte, blieb er wie versteinert auf seinem Stuhl sitzen, starrte auf seine Tischplatte und presste stumm die Lippen aufeinander. Mr. Colegrave jetzt auch noch anzusehen, wäre keine gute Idee. Auch dies war eine Lektion, die er bereits früh in seinem Leben hatte lernen müssen.
Andion spürte, wie sich die Gefühle des Geschichtslehrers veränderten, wie er sich bereit machte, die bizarre Scharade zu beenden, und zum Schlag ausholte. „Glaubst du etwa, das hier wäre ein Spiel, McKay?“ zischte er. Er hatte sich noch tiefer zu
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