Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
Vom Netzwerk:
Ruf des Hains gedämpft, sodass keiner der anderen Elfen ihn hören konnte. Alles hatte so aussehen sollen, als wolle er die Sache endgültig zum Abschluss bringen, als sei es ihm allein darum gegangen, ihn in seine Gewalt zu bekommen. Doch natürlich wusste er, dass Ionosen sich stets in seiner Nähe aufhielt, und ebenso war ihm klar, dass die Schule seinen Vormund auf jeden Fall über seinen Zusammenbruch und seinen Transport ins Krankenhaus in Kenntnis setzen würde. Selbst wenn Ionosen die Falle mithilfe seiner prophetischen Gabe vorhergesehen haben sollte, würde er dennoch kommen. Und Ogaire würde ihn töten.
    Abermals warf sich Andion wild gegen seine magischen Ketten, raffte auch noch das letzte Fünkchen Konzentration und Willenskraft zusammen, das noch in ihm steckte. Ionosen durfte nicht sterben! Nicht hier! Nicht so!
    Sein Wille wurde zu einer Klinge, und mit einem lautlosen Schrei der Wut und Verzweiflung trieb er sie tief hinein in den qualvollen Panzer, der ihn umschlossen hielt, wieder und wieder und wieder, schleuderte all seinen Zorn und seinen Hass gegen die unsichtbare Mauer, bis sie mit einem plötzlichen, jähen Ruck unter der Wucht seiner Hiebe nachgab und Splitter aus verwehender magischer Energie in alle Richtungen durch den Raum wirbelten. Das Tonnengewicht auf seiner Brust verschwand, und mit einem Mal konnte er wieder frei atmen.
    Zitternd vor Anstrengung wälzte sich Andion vom Bett und kam taumelnd auf die Füße. Ogaire beobachtete seine Bemühungen mit dem gleichmütigen Blick eines Wissenschaftlers, der ein besonders seltenes Exemplar eines Schmetterlings in einem Glas zappeln ließ, nur um es schließlich doch zu dem anderen Dutzend Exemplaren an eine Korkwand zu spießen. Er machte einen geradezu unerträglich gelangweilten Eindruck, schien nicht eine Sekunde lang darüber besorgt zu sein, dass Andion aus diesem Krankenzimmer entkommen könnte.
    Und das brauchte er auch nicht, denn im Gegensatz zu ihm selbst hatte Ogaire die Grenzen seines Willens noch lange nicht erreicht. Er bewegte sich nicht von der Stelle, flüsterte lediglich ein einzelnes Wort, doch Andion schrie vor Schmerzen auf, als habe ihn ein Vorschlaghammer ins Kreuz getroffen. Er sackte in die Knie, fiel nach vorn und konnte im letzten Moment verhindern, dass er mit dem Gesicht hart auf dem Boden aufschlug.
    Wie durch einen Schleier sah er, dass Ogaire einen Schritt auf ihn zutrat, sich bereit machte, ihn mit einem weiteren Zauber auf die kalten Fliesen zu nageln, doch in diesem Moment zerbarst das Fenster mit einem ohrenbetäubenden Knall, und eine dichte Wolke aus Glassplittern wirbelte wie ein scharfkantiger Hagelschauer durch das kleine Krankenzimmer. Erschrocken riss Andion die Arme vors Gesicht, versuchte, so wenigstens seine Augen zu schützen, während gleichzeitig das Rauschen zweier mächtiger Flügelpaare an seine Ohren drang.
    Hastig ließ er die Arme wieder sinken – und erblickte Esendion und Alisera, die majestätisch in den Raum segelten. Kaum hatten ihre Füße den Boden berührt, fiel die Schwanengestalt von ihnen ab, und sie nahmen ihre wahre Form wieder an. Esendion wirkte so kraftvoll und geschmeidig wie ein junger Haselnussstrauch. Trotz des düsteren grauen Lichts, das durch das geborstene Fenster hereinfiel, schimmerten seine bernsteinfarbenen Augen so strahlend und klar wie zwei Seen im samtenen Schein der Morgensonne, und auch sein schmales, fein geschnittenes Gesicht schien wie von einem sanften inneren Glühen erfüllt, als sei noch immer ein Hauch der Erinnerung an das wunderbare Weiß seines Schwanengefieders in seiner Seele gegenwärtig. Mit königlicher Würde richtete er sich auf und reichte Alisera, deren langes Haar wie gesponnenes Gold um ihre Schultern floss, anmutig seine Hand – die vertraute Geste eines Paares, das schon Jahrhunderte miteinander geteilt hatte.
    Ogaire hatte das ganze Geschehen mit regloser Miene verfolgt, doch Andion spürte die Überraschung und den Zorn, die wie ein schauriges Wetterleuchten durch die Finsternis seiner Seele loderten. Offenbar hatte er tatsächlich fest damit gerechnet, lediglich Ionosen zum Gegner zu haben. Dennoch brauchte er nur Sekunden, um sich auf die veränderte Situation einzustellen. Schon fühlte Andion, wie die Luft um ihn herum vor magischer Energie zu knistern begann, als sich sein Wille erneut zusammenballte, sich zu einer mörderischen Kugel aus kochender Schwärze formte, bei Weitem schrecklicher und Furcht einflößender

Weitere Kostenlose Bücher