Wächter des Elfenhains (German Edition)
wandte sich sein Vater langsam zu ihm um.
Andion begann zu zittern. Es war, als würde die Zeit plötzlich stillstehen, als seien all die wild umherwirbelnden Fäden des Schicksals, die Ionosen bei der Befreiung seiner Mutter vor 17 Jahren durchtrennt hatte, in einem einzigen Punkt erstarrt, hätten sich zu einem Muster geformt, das nach all der qualvollen Zeit der Flucht und des Versteckens endlich einen letzten, unwiderruflichen Sinn ergab. Der Kreis hatte sich geschlossen, war an seinen unvermeidlichen Ausgangspunkt zurückgekehrt, und alles Wegrennen war vergeblich gewesen. Er konnte dem düsteren Schatten seiner Herkunft nicht entkommen, hatte es niemals gekonnt, und alle Versuche, die Augen vor dieser fundamentalen Tatsache zu verschließen, hatten ihn nur umso brutaler und unbarmherziger auf dem harten Boden der Wirklichkeit aufschlagen lassen.
Bebend starrte er seinen Vater an, konnte seinen Blick nicht von der unheimlichen Gestalt abwenden, die reglos und Furcht einflößend wie ein aus der Hölle emporgestiegener Dämon vor ihm stand. Der Blick seiner Augen ruhte auf ihm, bannte ihn auf der Stelle, und eine stählerne Klaue presste Andion die Kehle zusammen und ließ ihn voller Qual aufstöhnen. Das waren seine Augen! Sie glichen den seinen tatsächlich vollkommen, und für einen kurzen, schrecklichen Moment war es, als blicke er in einen Spiegel, als schaue er hinab in die verderbten Abgründe seiner eigenen Seele, die ihm wie alte Freunde einen spöttischen Willkommensgruß zuriefen. Doch nur eine Sekunde später schwanden die Ähnlichkeiten, und er glaubte, die sanfte Stimme seiner Mutter zu hören, als sie ihn an jenem Morgen vor einem Monat, an dem er die Wahrheit über seine Herkunft und den Elfenhain erfahren hatte, im Arm gehalten hatte. Es ist nur dieselbe Farbe. Nicht mehr. Jetzt endlich erkannte er die Weisheit in ihren Worten, die er so lange nicht hatte sehen können. Denn während seine Augen das lebendige, unendlich vielfältige Grün des Hains im unbeschwerten Spiel von Sonne und Wolken und dem sanften, beständigen Wechsel der Jahreszeiten widerzuspiegeln schienen, waren Ogaires Augen kalt und tot, so als sei das Leben, das einst in ihnen gewohnt hatte, schon vor langer Zeit in grünen Kristall gegossen und langsam zu Tode gequetscht worden. Es waren Augen, denen Mitgefühl oder Liebe schon seit Jahrtausenden fremd geworden waren, die weder Skrupel noch Moral oder Rücksicht kannten, sondern nur die unstillbare Gier nach Macht, nur einen düsteren Hunger, der alles verschlang, was sich ihm bei der Verwirklichung seiner Ziele in den Weg zu stellen wagte.
Ogaire musterte Andion mit regloser Miene, und wieder spürte er dieses widerwärtig selbstzufriedene Gefühl des Triumphs, das wie ein eisiger Windhauch durch den Raum zu wehen schien. Er spannte unwillkürlich die Muskeln an, bereit, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, doch natürlich wusste er, dass es zu einem Kampf gar nicht erst kommen würde.
Ogaire machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu bewegen. Andion fühlte, wie sich sein Wille zusammenballte, dann schien sich unvermittelt ein Tonnengewicht auf seine Brust herabzusenken, und seine Arme und Beine wurden mit brutaler Gewalt auf die Matratze des Bettes gepresst. Verzweifelt versuchte er, sich aufzulehnen, sich aus der stählernen Umklammerung zu befreien, doch er schaffte es nicht. Er konnte nicht einmal den kleinen Finger rühren. Ogaire hatte ihn zu völliger Bewegungslosigkeit verdammt.
Trotzdem kämpfte er weiter, stemmte sich mit aller Kraft gegen seine unsichtbaren Fesseln, die er aufzubringen vermochte, aber ebenso gut hätte er versuchen können, den Mond aus seiner Umlaufbahn zu schieben. Sein Wille war viel zu schwach, zerfressen von Panik und Angst. Gleich würde Ogaire ihm das Herz aus dem Leib schneiden, sein Leben und seine Magie rauben und damit endgültig unbesiegbar werden.
Doch stattdessen wandte er sich gleichmütig wieder von ihm ab und beobachtete nun die Tür, so als erwarte er noch einen besonderen Gast, der den Höhepunkt ihrer kleinen Party auf keinen Fall versäumen durfte. Voller Grauen riss Andion die Augen auf, als er die schreckliche Wahrheit erkannte. Ogaire hatte gar nicht vor, ihn zu töten - zumindest jetzt noch nicht! Er konnte die finsteren Absichten seiner verderbten Seele so deutlich spüren, als wären es seine eigenen. Dies hier war nichts weiter als eine verdammte Falle – und er war der Köder!
Deshalb hatte Ogaire den
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