Waechter des Labyrinths
dessen Schlaglöcher mit jedem Meter tiefer wurden. Ein angebundenes Maultier hob kurz den Kopf, graste dann aber weiter. Schließlich kamen sie an eine unpassierbare Reihe aus schweren Felsen, sodass Iain holpernd vom Weg abbog, um den Wagen im Schutz einiger Bäume zu parken. «Von hier müssen wir zu Fuß weiter», sagte er und stieg aus.
«Und wie hat Petitier seine Vorräte nach Hause bekommen?», fragte Gaille, als sie um den Wagen herumgingen. «Glaubst du, das Maultier vorhin gehörte ihm?»
«Könnte sein.» Er öffnete den Kofferraum, der mit Campingzubehör vollgepackt war.
«Wow. Du bist ja für alles gewappnet.»
«Einmal Pfadfinder …» Er lächelte. «Ich weiß nie, wann sich die Möglichkeit zum Wandern ergibt», sagte er. Dann packte er den Proviant, den er gerade gekauft hatte, in seinen Rucksack und zog sich Wanderstiefel an.
«Und was mache ich?», frage Gaille und deutete auf ihre dünnen Turnschuhe. «Für so was bin ich nicht ausgerüstet.»
«Schauen wir mal, wie es geht», sagte er. «Wenn wir Glück haben, sind wir in ein paar Stunden zurück. Auf jeden Fall, bevor es dunkel wird.»
«Und wenn nicht?»
Er klopfte auf seinen prallgefüllten Rucksack. «Ich habe ein Zelt dabei, Schlafsäcke, Essen, alles, was wir brauchen.» Er nahm einen kleineren Rucksack aus dem Kofferraum. «Aber vielleicht solltest du zur Sicherheit auch ein paar Sachen mitnehmen.»
Gaille schaute den Hang hoch, der beängstigend steil auf einen felsigen Gebirgskamm führte. Aber sie war wegen Augustin hier und durfte jetzt nicht feige sein. Also packte sie ein paar Sachen und ihren Kulturbeutel in den Rucksack.
«Fertig?», fragte Iain, als er seinen Rucksack nahm.
«Absolut», sagte sie.
II
Die Schrotflinte bohrte sich in Knox’ Rücken, als die Männer ihn zum Mercedes führten. Der Riese öffnete die hintere Tür und bedeutete ihm einzusteigen. Knox schaute sehnsüchtig auf die Straße, doch die zahllosen Autos, Lastwagen und Motorräder rauschten gleichgültig vorbei und spien ihm giftige Abgase ins Gesicht. Er überlegte, einfach davonzulaufen, im Verkehrsgetümmel unterzutauchen oder einen Wagen anzuhalten. Doch der Riese packte Knox am Arm, und der Mut verließ ihn. Er senkte den Kopf und wollte einsteigen …
Er hörte den Wagen, bevor er ihn sah, das Heulen des alten Motors und das wilde Hupen. Als er sich umwandte, sah er einen verrosteten Volvo mit quietschenden Bremsen heranpreschen. Der Fahrer kauerte über dem Lenkrad und schirmte sein Gesicht ab, während auf dem Beifahrersitz eine Frau kniete und sich herauslehnte, um die hintere Tür aufzumachen. «Steigen Sie ein!», schrie sie.
Ohne zu zögern, riss Knox sich los, schlug die Flinte zur Seite und hechtete mit dem Kopf voran auf den Rücksitz. «Los!», rief die Frau. Der Fahrer gab Gas. Knox wurde am Bein festgehalten. Er trat um sich und kam frei, blieb aber draußen hängen, als der Volvo schneller wurde, sodass er mit Füßen und Knien über den Asphalt schlitterte. Durch die Beschleunigung schlug ihm die Tür gegen die Hüfte. Er krallte sich mit den Fingernägeln am Bezug der Rückbank fest, konnte sich aber kaum halten. Die Frau schrie den Fahrer an, er solle langsamer werden, packte Knox am Unterarm und hielt ihn gerade lange genug fest, dass er besser Halt bekam und sich dann selbst hineinziehen konnte.
Zweimal dröhnte die Schrotflinte. Die Kugeln schlugen pfeifend und klappernd gegen die Karosserie des Volvos und erzeugten feine Sprünge in der Rückscheibe. Knox knallte die Tür zu, schaute sich um und sah den Mann auf der Straße stehen und seine Flinte nachladen, während ihm der Verkehr auswich und seine Männer zu ihren Wagen sprinteten.
«Der hat eine Schrotflinte!», brüllte der Fahrer. «Der hat eine Scheißschrotflinte!»
«Was ist hier los?», wollte Knox wissen. «Wer sind Sie?»
«O Gott!», rief der Fahrer und starrte in den Rückspiegel. «Die folgen uns. Ich glaub das nicht. Ich glaub das nicht, verdammte Scheiße!»
«Wer sind Sie?», fragte Knox erneut.
«Ich wollte Ihnen gerade die gleiche Frage stellen», entgegnete die Frau mit beeindruckender Ruhe.
«Warum folgen Sie mir, wenn Sie nicht wissen, wer ich bin?»
«Sie haben wir nicht verfolgt.» Sie deutete auf den Monitor des Navigationsgeräts. «Wir haben die anderen verfolgt.»
«O mein Gott!», murmelte der Fahrer. «Die kommen näher.»
Knox schaute sich um. Der erste Mercedes war noch gut zweihundert Meter hinter ihnen, holte aber schnell
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