Waechter des Labyrinths
auf. Auf einer geraden Straße konnte der alte Volvo sie niemals abhängen. Das hatte wohl auch der Fahrer eingesehen, denn er riss das Lenkrad herum und bog scharf nach rechts ab. Die Reifen quietschten, als sie sofort wieder nach links in eine Gasse hinter einem Autohändler bogen.
«Und?», fragte die Frau und schnallte sich an. «Wer sind Sie?»
«Daniel Knox», antwortete er, während er durch das Rückfenster schaute. «Und Sie?»
«Nadja. Und das ist Sokratis. Also, warum sind die Nergadses hinter Ihnen her?»
Der erste Mercedes tauchte in der Gasse auf, dann der zweite. Knox fluchte laut. «Die Nergadses?», fragte er.
«Sie kennen sie nicht?»
Er schüttelte den Kopf. «Die waren gestern Abend in meinem Hotel, aber abgesehen davon …» Vor ihnen war eine Rohrleitung geborsten, Wasser strömte über den grauen Asphalt. Als sie um die nächste Kurve jagten, rutschten die Reifen so heftig zur Seite, dass Knox über den Rücksitz geschleudert wurde. «Was sind das für Leute?»
«Der mit der Schrotflinte ist Michail Nergadse. Der Enkel von Ilja.» Als sie seinen verständnislosen Blick sah, schüttelte sie den Kopf. «Haben Sie noch nie von Ilja Nergadse gehört?», fragte sie.
«Von wem?»
«Er ist einer der reichsten Oligarchen Georgiens. Und im Moment macht er Wahlkampf, um unser nächster Präsident zu werden.»
«Ich wusste nicht mal, dass bei Ihnen die Wahlen bevorstehen.»
«Der Amtsinhaber war dazu gezwungen», erklärte sie. «Er stand seit dem Desaster mit Südossetien unter Druck. Daran erinnern Sie sich aber, oder?»
«Die abtrünnige Republik», meinte Knox. «Sie wollten sie zurückerobern. Russland hatte andere Vorstellungen.» Sie rauschten an einem Möbelhaus vorbei, dessen Angestellte mit offenen Mündern zuschauten, wie der Volvo verbranntes Gummi auf ihrem betonierten Vorplatz zurückließ.
«So ungefähr», sagte sie. Ein Lastwagen polterte über die Kreuzung vor ihnen und zwang Sokratis zu einer Vollbremsung, bei der Knox gegen die Lehne von Nadjas Sitz geschleudert und der Motor abgewürgt wurde. Sokratis drehte verzweifelt den Zündschlüssel, aber nichts geschah. Die Verfolger kamen schnell näher. Schließlich sprang der Motor wieder an. Sokratis schlängelte sich durch eine Lücke im Verkehr, die sich schloss, ehe einer ihrer Verfolger hinterherkommen konnte.
«Aber was wollen die von mir, verdammt?»
Sie überquerten einen Platz, auf dem Trecker, Mähdrescher und andere landwirtschaftliche Maschinen standen, bogen mit quietschenden Reifen nach links in eine enge Gasse, knallten in ein Schlagloch, verloren für einen Augenblick den Bodenkontakt und schwenkten dann links um eine Ecke. Die Hauptstraße war verlockend nah, doch die Zufahrt wurde durch eine Reihe weißer Kübel mit Hyazinthen und Akazien versperrt. «Verflucht!», schrie Sokratis.
«Kommen Sie, wir laufen», sagte Nadja.
«Soll ich denen vielleicht meinen Wagen überlassen?», entgegnete Sokratis. «Niemals. Die würden mich sofort aufspüren.» Er legte den Rückwärtsgang ein, doch auf seinem Navi konnte man sehen, dass ein Mercedes nahte. «Scheiße!», jammerte er.
Links von ihnen befand sich ein Wohnwagenhändler, davor ein Parkplatz, auf dem dicht an dicht drei kaputte Wohnmobile standen. Auf dem freien Platz daneben aber, von der Mauer des Geländes eingegrenzt, war nur eine grüne Mülltonne auf Rädern, die so überfüllt war, dass der Deckel aufstand. Knox sprang aus dem Wagen und zog sie zur Seite. Eine schwarze Katze kam fauchend heraus und lief zu den Wohnwagen. Als Sokratis rückwärts in die Lücke fuhr, krachte er so heftig gegen die Ziegelmauer, dass seine hintere Stoßstange mit einem lauten Knall herunterfiel. Kaum hatte Knox die Mülltonne vor den Volvo geschoben, tauchte auch schon der erste Mercedes auf.
Nadja winkte ihn heran, damit er im Wagen war, falls sie schnell verschwinden mussten. Er ließ die Tonne los und versuchte sich zwischen dem Wohnwagen und dem Volvo durchzuzwängen, doch da begann die Mülltonne langsam wegzurollen. Anscheinend gab es vor dem Parkplatz ein leichtes Gefälle. Knox warf sich schnell auf den Schotterboden, packte mit der rechten Hand eins der Räder der Tonne und hielt sie mit der linken von unten fest.
Unter dem Boden der Mülltonne sah er das Fahrgestell eines schwarzen Mercedes vorbeifahren und vor den Blumenkübeln anhalten. Einen Moment später raste der zweite Mercedes heran und kam kaum zwei Meter von Knox entfernt zum Stehen. Hinter ihm
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