Wächter des Mythos (German Edition)
und Blut verwandelt, um ihn an seiner göttlichen Mission zu hindern. Dann fing das hässliche Tier auch noch an, ihn wütend anzubellen. Roberto zögerte nicht, sondern richtete seine Waffe auf das Tier und schoss, sodass sich der Kopf des Hundes in einzelnen Haar- und Fleischfetzen in allen Richtungen der schummrigen Diele verteilte. Verächtlich und angeekelt kickte er den toten Körper aus seinem Weg. Jetzt musste er schnell handeln, denn seine Feinde waren durch den Radau gewarnt.
Sofort suchte Roberto sich sein nächstes Opfer, den schwarzen moriskischen Höllenhund, und drückte erneut den Abzug. Doch keinen Atemzug später schlug statt des Morisken der Kopf des alten Ketzers auf den gedeckten Kaffeetisch. Roberto blieb keine Zeit zu verstehen, wie der Dämon hatte ausweichen können, denn plötzlich raubte ein stechender Schmerz in seinem Oberarm ihm fast die Sinne.
Als er reflexartig mit der freien Hand an die Stelle griff, von der dieser unerträgliche Schmerz ausging, erfasste er ein Messer. Er wollte ein weiteres Mal den Abzug seiner Waffe betätigen, denn der Satan funkelte ihn unverwandt aus seinen schwarzen feurigen Augen an. Doch sein Arm schien vom Schmerz wie gelähmt. Blitzschnell schoss der Dämon durch die Luft und stürzte sich wie ein großes dunkles Raubtier auf ihn.
Er schlug hart auf dem Boden auf, das Untier drohte, ihn mit seinem Gewicht zu ersticken und fest umklammert in seinen dunklen Höllenrachen hinunterschlingen zu wollen. Doch im Augenblick der Not gelang es ihm, den Abzug seiner Waffe erneut zu drücken, während er dem satanischen Hund wie zur Erlösung auf Spanisch ins Ohr flüsterte: »Fahr zur Hölle, Morisco , dein Bruder wartet dort schon auf dich …«
* * *
Für einen bedeutenden Augenblick lag die Verwirrung greifbar in der Luft, und alles schien sich zu drehen …
Etwas genauer gesagt: Um das zu drehen, was vor diesem Schuss vorgefallen war und noch immer in der Erinnerung kreiste. Auch um das, was man in Erinnerung behalten wollte. Denn es gab Dinge, die mit dem Augenblick zu tun hatten und die, wenn sie herauskämen, den Eindruck der Glaubwürdigkeit verderben würden … Etwa den Eindruck, dass man noch immer am Leben war.
Einen Moment lang blieb Gabriel benommen liegen, als hätte der Schuss des Mannes tatsächlich ihn getroffen. Dann richtete er sich langsam auf. Diffuses Sonnenlicht drang durch eines der Fenster und streifte das Grauen eines Schlachthofs. Gabriels Blick verlor sich hilflos an der weißen Decke des Wohnzimmers, von deren Mitte, in einer reich verzierten Stuckrosette, ein prachtvoller Leuchter herabhing. Doch der Tod ließ sich nicht ignorieren. Das Blutbad um ihn herum wollte ernst genommen werden. Gabriel erhob sich langsam. Eine Weile stand er hilflos da, allein zwischen den Leichen in diesem Basler Altstadthaus, und versuchte den schrecklichen Anblick, der sich ihm bot, zu verdauen.
Es roch wieder nach Erde, nach Blut und Angst. Wieder war der imaginäre Stier aus seinem Traum schwarz wie die Nacht mit ganzer Kraft und Wildheit auf ihn zugestürmt. Doch Gabriel hatte dem Angriff standgehalten, er war schweißnass vor Erschöpfung und Empörung. Dann griff er zu seinem Mobiltelefon, wählt zuerst die Nummer eines Vorgesetzten in Spanien und dann die entsprechende Nummer einer Dienststelle in Basel.
Entkräftet ließ Gabriel sich in einen der Sessel fallen, auf dem noch vor weniger als einer Stunde Dr. Bernards Hund lautstark die Rechte seines Herrn verteidigte hatte. Nun klebten seine sterblichen Überreste an den Wänden der schummrigen Diele. Wie in Zeitlupe wiederholte sich das eben Erlebte immer und immer wieder vor Gabriels innerem Auge. Da war das plötzliche Knurren des Hundes, das zu wütendem Bellen anschwoll.
Nach einem dumpfen Schlag die plötzliche Stille, in der klar wurde, das jemand in der Diele stand und dem Hund etwas Schreckliches geschehen war. Dann ein Schatten, der sich bedrohlich durch den Türspalt schob, gefolgt von einer Hand, deren Finger auf dem Abzug einer schussbereiten Waffe lag.
Im nächsten Augenblick sah Gabriel sich zum Küchenmesser greifen, während ein Projektil nur wenige Millimeter an ihm vorbeischoss und Bernard mitten in die Stirn traf. Dr. Bernards Körper schnellte zunächst zurück, bis sein Kopf schließlich so hart auf dem gedeckten Frühstückstisch aufschlug, dass das Geschirr klirrend zu Boden fiel. Dann wieder diese Stille, in der Gabriel das hervorsickernde Blut förmlich hören
Weitere Kostenlose Bücher