Wächter des Mythos (German Edition)
Vorfahren und der Tod seines Bruders, der sich als Mönch der Kirche verschrieben und auf dem Heilsweg zum besseren Menschen gewähnt hatte: Als Verkörperung des Bösen war er dennoch durch die Hand der Kirche ums Leben gekommen.
Weshalb all die zahllosen Opfer von Heiden, Mauren, Ketzern, Katharern. Waren sie alle denn keine Menschen? Sollte die Kirche nicht dazu beitragen, dass sich unsere Welt zum Positiven hin veränderte und sich das Christentum zu einem wahren Heilsweg für alle entwickelte? Einem Heilsweg, der aus uns bessere Menschen werden ließ?
Von nun an wollte Gabriel dazu seinen Beitrag leisten, nicht für sich selbst, sondern für andere. Daher musste er einen Kampf auf sich nehmen und Licht in diese finsteren Angelegenheiten bringen. Er wusste, wo sein Weg begann. Als Erstes wollte er Alina suchen, egal, wo sie sich auf der Welt gerade befand. Er war zu allem fest entschlossen und werde sie dazu bringen, mit ihm zusammen nach diesem Relikt der Templer zu suchen.
Kapitel 2
Josef Kardinal Walter ließ seine Augen durch den hohen Raum schweifen, der sich im Regierungspalast der römischen Kurie befand, und schaute abwesend aus einem der großen Fenster, die den Blick auf die Vatikanischen Gärten freigaben. Seine würdevolle Robe täuschte darüber hinweg, dass er aus einer deutschen Arbeiterfamilie stammte und kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das Licht einer desolaten Welt erblickt hatte. Ein Leitsatz seines Vaters war gewesen: ›Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm‹.
Vermutlich wäre auch er in den Fabriken gelandet, hätte ihn das Schicksal nicht schon in frühester Jugend in die Arme der Kirche getrieben. Die Zeiten änderten sich, nun war er Kardinalpräfekt der Kongregation für Glaubenslehre und mit bevorrechtigten Befugnissen ausgestattet. Zwar verließ er Rom immer seltener, doch kontrollierte er sein großes Reich von seinem Arbeitszimmer aus. Mochten die prunkvollen Mauern des Vatikans schon so manches Jahrhundert unbeeindruckt überstanden haben – man war hier auf der Höhe der Zeit. Moderne Kommunikationsmittel ersparten die Mühen und Kosten aufwendiger Reisen in die entlegensten Winkel des mächtigen Reiches.
Der imposante barocke Schreibtisch, an dem der Kardinal saß, vereinte die Insignien seiner Macht auf stolze Weise. Mit zufriedener Gelassenheit strich er über die edle Maserung der schweren Mahagoniplatte, auf der ein Bericht lag, in den er sich kurz zuvor vertieft hatte. Nun hob er herrisch seinen Kopf und fixierte sein Gegenüber. Seine kalten blauen Augen funkelten wie Saphire aus dunklen Höhlen und seine steinernen Gesichtszüge ließen auf einen Mann schließen, der es gewohnt war zu befehlen.
Sein eckiges Kinn und sein silbernes Haar, das er als Bürstenschnitt trug, verliehen ihm einen energischen Ausdruck. Der Erste Sekretär Vikar Dario Merini, der ihm bisher abwartend gegenübergestanden hatte, wusste diesem Blick nicht standzuhalten und senkte den Kopf.
»Wie konnte das passieren?«, fragte der Kardinal leise. Sein Sekretär hüstelte verlegen in seine vorgehaltene Hand. Der hagere Mann war blass und ernsthaft wie immer.
»Einer ist dabei entkommen. Weder wissen wir, warum das geschehen konnte noch wie er in diese … Gräueltat verwickelt ist.«
Der Sekretär Vikar Dario Merini bemerkte, dass ihn der Kardinal noch immer unverwandt ansah, während er zu ihm sprach. Doch ließ er ihm keine Zeit für verlegene Ausreden, sondern fuhr fort. »Ich habe wegen des Vorfalls in Basel mit unserer Vertretung telefoniert. Gerüchten zufolge soll es sich bei dem verwünschten Besucher um einen spanischen Ketzer mit dem Namen Gabriel Diaz handeln. Wie ist es möglich, dass er nicht in der Zeitung erwähnt wird?«
»Er ist ein ›Experte‹, ein Experte für ›Terrorismusbekämpfung‹. Für gewöhnlich arbeitet er für die spanische Polizei. Gelegentlich ist er allerdings auch im Ausland tätig, beispielsweise für die UNO.«
»Er besitzt also eine gewisse Immunität, ganz im Gegensatz zu unserem Roberto, dem unseligen Versager. Ich werde dafür sorgen, dass man diesen Priester mit dem Anathem belegt. Dieser Judas hat Gott verhöhnt, indem er sich selbst das Leben nahm. Sein Leben gehörte ganz allein dem Schöpfer, möge dieser Sünder auf ewig im Höllenfeuer schmoren und niemals erlöst werden.«
Vikar Dario hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit einer solch vernichtenden Interpretation der Fügung, der sich sein Bruder Roberto ausgesetzt
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