Wächter des Mythos (German Edition)
haben.«
»Das ist nicht von der Hand zu weisen. Dieser Gabriel Diaz ist nun der zweite Moriske, der mit der Sache irgendwie in Verbindung steht. Ich nehme an, wir sind auch nicht die einzigen, die in den vergangenen Jahren nach diesem Kelch gesucht haben. Wer immer noch dahintersteckt, sie wissen relativ genau, worauf sie es abgesehen haben, sonst wäre dieser Diaz aus Madrid nicht auf diesen lokalen Zeitungsartikel in Basel aufmerksam geworden. Nur so lässt sich jedenfalls sein Besuch in Basel erklären, kurz nach dem Erscheinen von Dr. Bernards Artikel.«
»Ich denke, da haben Sie recht«, erwiderte der Kardinal anerkennend. »Dieser Dämon ist sicher nicht grundlos von Madrid nach Basel geflogen. Und dass ihm Dr. Bernards lokaler Zeitungsartikel in Madrid per Zufall in die Hände gefallen sein soll, ist mehr als unwahrscheinlich. Wir müssen hier also mit einer verschworenen Gemeinschaft rechnen, mit internationaler Anhängerschaft, vor allem in Madrid und Basel.«
Der Kardinal nickte und signalisierte seinem Sekretär mit einem unmissverständlichen Blick, dass ihr Gespräch beendet war. Als dieser hinausgegangen war, verließ auch Joseph Kardinal Walter den Raum, allerdings durch eine andere Tür. Grußlos eilte er durch staubige Hallen, in denen Bedienstete und Gelehrte tätig waren, und schritt dann durch einen engen Gang zu einer unscheinbaren Treppe. Diese führte ihn in die düsteren Tiefen des riesigen Gebäudes, in dem er sich gerade befand. Endlich erreichte er den engen Vorraum, wo ein Schweizergardist in einem schwarzen Anzug an einem kleinen Tisch neben einer soliden Türe saß.
Der Kardinal nickte ihm kurz zu, während unverständliche Signale aus dem Funkgerät des Wächters die herrschende Stille störten. Der Gardist sah dem Kardinal prüfend ins Gesicht und erhob sich. Dann gab er die Meldung durch, dass Joseph Kardinal Walter den Urkundenraum Litterae Secretae betreten möchte, worauf eine Stimme aus dem Funkgerät ertönte und er die geheime Kombination in die Tastatur neben der Tür eingab. Kardinal Walter presste seinen Daumen auf eine kleine Fläche und wartete die elektronische Bestätigung seiner Identität ab, bis die Türriegel sich wie von Geisterhand, aber mit einem lauten Schnappen öffneten. Wortlos trat er an dem Gardisten vorbei in das schwach beleuchtete Tonnengewölbe. Hinter ihm schloss sich die Türe mit einem dumpfen Ton.
Einen Moment lang blieb der Kardinal stehen, denn er musste sich wie jedes Mal erst an die gedämpfte Beleuchtung und die ihn schlagartig umgebende Stille gewöhnen. Außerdem herrschte hier ein trockenes Klima, das verhindern sollte, dass das alte Papier und brüchige Pergament noch weiter zerfielen. Während nun sein Blick durch die geisterhafte Dunkelheit des Raumes schweifte, überzeugte sich der Kardinal, dass er alleine hier unten war, und ging dann zu den Regalen hinüber.
Er vergeudete selten Zeit damit, das Offensichtliche abermals festzustellen, doch Dr. Bernards letzter Artikel aus Basel war ein unseliger Schock für ihn, von dem er sich auch jetzt noch nicht ganz erholt hatte.
Er wusste, wo er zu suchen hatte, und zog zielstrebig den großen alten Band aus dem Regal, in dem das gesuchte Dokument verschnürt worden war. Dann ging er damit zu einem Tisch hinüber, durchsuchte die Schubladen, in denen sich Flachpinzetten und andere Utensilien befanden, die Archivare zur sorgsamen Behandlung der gehüteten Dokumente benutzten, und fand schließlich ein paar weiße Handschuhe zum Schutz der Seiten. Darauf schaltete er eine kleine Leselampe an, die oberhalb des Pultes angebracht war, und blätterte die zum Teil verwitterten und brüchigen Pergamentseiten der Templerakte durch.
Schnell fand er das gesuchte Dokument, es handelte sich um eine schlichte päpstliche Urkunde aus dem Jahre 1314, unterzeichnet von Papst Clemens V. Der knapp gehaltene Text lautete: ›Wenn wer sagt, dass er den Inhalt dieser Zeichen kennt oder ihnen Glauben schenkt, der sei ein Verfluchter.‹
Der Kardinal betrachtete nervös die Illustrationen, während er mit zitternden Fingern über das alte vergilbte Pergament fuhr. Er nahm den Zeitungsartikel von Dr. Bernhard hervor und verglich abermals die merkwürdigen Zeichen, die auf dem abgebildeten Kelch zu sehen waren. Keine Frage, diese Zeichen waren mit denen auf der päpstlichen Urkunde identisch. Wie schon beim ersten Mal, als er vor Jahren die Fotografien aus Silos überprüft hatte, rieselte ihm ein kalter
Weitere Kostenlose Bücher