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Wächter des Mythos (German Edition)

Wächter des Mythos (German Edition)

Titel: Wächter des Mythos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Saurer
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er umgebracht worden? Wegen ein paar kritischer Zeitungsartikel, oder etwa wegen des Kelchs? Sonderbar, dass es von dem Kelch ein weiteres Exemplar zu geben schien. Waren diese beiden Kelche so etwas wie ein Zwillingspaar?
    Doch sie wollte jetzt nicht darüber grübeln, um Gabriel nicht allzu lange warten zu lassen. Sie fuhr nun durchs Dorf zurück, mit seinen typischen, oft ganz aus Teakholz gebauten alten Thaihäusern auf Pfählen. Dann kreuzte sie eine Gruppe von Mönchen und Novizen in leuchtend orangefarbenen Gewändern, die alle im Gänsemarsch der Straße folgten. Sie fuhr weiter durch die ländliche Umgebung zwischen weitläufigen Reisfeldern hindurch, und dachte an die Bestattung ihres Vaters. Er hatte nicht viel von der Kirche gehalten und es war immer sein Wille gewesen, dass man seine Urne dem Grab ihrer Mutter beisetzte.
    Verwandte aufseiten ihres Vaters gab es nicht viele, daher konnte sie seinem Wunsch jetzt nachkommen und einen passenden Zeitpunkt für seine Beisetzung wählen. Irgendeinen besonderen Tag, vielleicht den Geburtstag ihrer Mutter?! Sie musste jetzt also nicht sofort nach Basel fahren, sondern konnte mit diesem Gabriel nach Spanien fliegen. Immerhin verstand er es, sie etwas von ihrer Einsamkeit abzulenken und zu trösten.
    Auch ihr Vater hatte kurz vor seinem Tod den Wunsch geäußert, sie solle sich bei Gelegenheit nach Spanien begeben. Ihr kam nun seine E-Mail wieder in den Sinn und auch das Rätsel fiel ihr wieder ein, das er ihr geschickt hatte und für das sie vorgestern im Internetcafé keine Zeit mehr gehabt hatte.
    Während ihr der Gedanke an das Rätsel von ihrem Vater Trost spendete, wurde Alina scherzend und lachend von Bauern gegrüßt, die auf dem Weg zu ihren Feldern waren. Das Blau des Himmels über ihr war endlos und den Horizont vor ihr krönten die Gipfel der Berge, die den Ort Mae Chaem mit all seinen Dörfern umschlossen. Ungeachtet dieser Idylle, so wusste Alina, das Paradies war es hier trotzdem nicht. Denn die Felder wurden überschwemmt, die Ernten von Schädlingen befallen und durch Blattkrankheiten zerstört. Dennoch lag über allem eine Zuversicht und Hoffnung, die selbst in den klaren Augen dieser einfachen Menschen zu lesen war.
     
    Als Alina wieder vor ihrem Haus stand, fühlte sie, wenn auch noch zaghaft, neue Zuversicht und Hoffnung in ihr aufkeimen. Ein paar Vögeln mit skurrilen spitzen Hauben auf den Köpfen zankten sich lautstark um Bananen. Alina beobachtete, wie sie aufgeregt streitend hin- und herflatterten. Als die Vögel schließlich davonflogen, ging Alina ins Haus, um sich heißes Wasser für Kaffee aus dem elektrischen Wasserkocher herauszulassen. Gabriel war noch immer nicht aufgestanden und schien wegen der Zeitverschiebung tief zu schlafen.
    Der Gedanke an ihn ließ sie plötzlich das Heißwassergerät erbost anfunkeln. Dieser Typ, Gabriel, der hatte vielleicht Nerven. Kam einfach hierher, um ihr mitzuteilen, dass ihr Vater von einem umnachteten Priester aus Rom ermordet worden war. Und dann erwartete er von ihr, dass sie mit ihm ins nächste Flugzeug nach Madrid stieg, um sich mit ihm auf die Suche nach dem Kelch ihres Vaters zu begeben. Dabei hatte er ihn noch nicht einmal gekannt.
    Um was ging es hier eigentlich, etwa um pure Bosheit oder um religiösen Wahn? Klar, dieser Kerl, der ihren Vater auf dem Gewissen hatte, war sicher ein niederträchtiger Schuft. Doch sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser wahnsinnige Priester aus eigener Initiative gehandelt hatte. Er war vielmehr nur der Handlanger einer dunklen Macht, die sich verborgen hielt.
     
    War ihr Vater wegen des Kelches umgebracht worden? Es schien sich jedenfalls im Augenblick alles nur darum zu drehen! Und was war mit diesem Zwillingskelch? Nun, ihr Vater hätte dazu wohl gesagt: ›Mysterien haben tiefe Wurzeln, die bis weit in die Antike, bis in die Anfänge der Zeit reichen.‹
    Mysterien, Antike und Zwillingspaar! Ihr fielen die Geschwister Artemis und Apollon aus der griechischen Mythologie ein, die als Zwillingspaar auch die Zusammengehörigkeit des Gegensätzlichen symbolisierten. Artemis verkörperte als Göttin den Mond, während Apollon als Gott des Lichtes die Sonne darstellte. Ging es bei den Kelchen etwa auch um Gegensätze und duale Zusammenhänge? Im Buddhismus jedenfalls war dieser Gedanke zentral, denn durch die Unterscheidung zwischen körperlichem und seelischem Bewusstsein hatte der Mensch selbst Teil an diesem dualen Prinzip. Alina

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