Wächter des Mythos (German Edition)
nächsten beiden Wörter hast du ja schon vor der Nase«, murmelte sie jetzt gekränkt. »Du musst nicht mal den Schlüssel dafür finden«.
Gemäß ihrer Tabelle stand die 4 für d, also bedeutete die Zeichenfolge 4ICH wohl DICH und die Zahlenreihe 9-13 wohl IM. Subtrahierte sie nun 9 von 13, erhielt sie als Resultat -4. Doch da hier das Fragezeichen wohl wieder auf das Gegenteil verwies, musste sie es andersherum als +4 verstehen, die zweite 4 ergänzen und 4 + 4 = 8 lesen. Das Resultat 8 stand für das H, sodass die weitere Zeichenfolge »(=)?+4AUSzwei« das Wort HAUSZWEI ergab. Auch beim letzten Wort musste sie nicht zahllose Möglichkeiten in Betracht ziehen, denn sie wusste ja, dass die Lösung in der Logik lag. Somit stand die Zeichenfolge »BEDECKT« wohl für etwas Unsichtbares oder für das Wort VERSTECKT.
»Ich hab’s«, rief sie jetzt erleichtert aus und schnappte nach Luft. Sie nahm einen Schluck Kaffee und lehnte sich etwas zurück, um das Resultat zu betrachten. Dann las sie sich laut und deutlich den ganzen Satz vor: » Habe etwas für Dich im Haus 2 versteckt. Ich hoffe, Du nimmst Dir Zeit und findest die Lösung! «
Den Flug nach Madrid konnten sie sich jetzt sparen und stattdessen sofort nach Frankreich fliegen, denn dort besaß ihr Vater ein zweites Haus. In den letzten Jahren war er oft dort gewesen, um an irgendwelchen Projekten zu arbeiten. Sie wechselte nun im Internet zur Seite der Fluggesellschaft, um ihre Buchung vom gestrigen Abend zu stornieren. Dann suchte sie sich einen Flug von Bangkok nach Paris heraus und buchte für zwei Personen. Zufrieden lehnte sie sich zurück und wechselte wieder zur E-Mail ihres Vaters. Er hatte dieses alte Haus in Süd-Frankreich geliebt mit seinem ganz speziellen Charme. Wie er zu diesem Haus gekommen war, daran konnte sich Alina nicht wirklich erinnern, vielleicht hatte er es geerbt oder vor langer Zeit erworben. Doch was auch immer er dort für sie versteckt hatte, es hatte ganz bestimmt mit dem rätselhaften Kelch zu tun. Sie wandte sich nun wieder dem Brief ihres Vaters zu und las aufmerksam den Aphorismus oder philosophischen Gedankensplitter , wie er diese Art von Sprüchen oft zu nennen pflegte: »Genieß die Gegenwart mit frohem Sinn, sorglos, was immer Dir die Zukunft bringen werde; doch nimm auch bittern Kelch mit Lächeln hin – vollkommen ist kein Glück auf dieser Erde.«
Der bittere Kelch! War das nicht wie eine Anspielung auf all das Leid, das den Kelch zu umranken schien? Der Tod von Gabriels Bruder und nun der Tod ihres Vaters? Was wollte er ihr mit dem Aphorismen mitteilen?
In diesem Augenblick kam Gabriel die Treppe vom Obergeschoss herunter und sah Alina brütend vor dem Computer sitzen.
»Guten Morgen«, begrüßte er sie gut gelaunt, »du bist ja bereits an der Arbeit. Übrigens, man hat vom Gästezimmer aus einen schönen Ausblick über das Tal mit den Reisterrassen bis hin zum Gipfel des Doi Inthanon.«
»Ja, ich weiß. Es freut mich, dass es dir gefällt. Ich mache mir gerade Gedanken über einen philosophischen Sinnspruch, den mir mein Vater geschickt hat«, gab sie ihm zur Antwort und zitierte ihm den Aphorismen.
»Der bittere Kelch? Nicht schlecht!«, meinte Gabriel. »Erinnert mich an all die negativen Erfahrungen im Leben.«
»Das werde ich mir merken. Aber was unsere Arbeit anbelangt, nun, ich fürchte, wir fliegen nicht nach Madrid, ich habe den Flug soeben storniert und einen neuen gebucht.«
» Storniert? « fragte Gabriel und war schlagartig hellwach. »Und wohin fliegen wir dann?«
»Zuerst nach Paris und von dort buchen wir uns dann einen Inlandsflug nach Avignon und von dort sind es dann noch etwa 50 Kilometer bis zum Lieblingshaus meines Vaters.«
»Zum Lieblingshaus deines Vaters? Und was suchen wir dort?«
»Das müssen wir vor Ort herausfinden, jedenfalls hat er dort etwas für mich hinterlassen oder versteckt.«
» Versteckt ?«
»Ja, das hat er mir jedenfalls in seiner E-Mail mitgeteilt, ich habe die Botschaft von ihm heute Morgen entschlüsselt.«
» Entschlüsselt? «
»Ja, er hatte mir per Mail ein Rätsel geschickt. Das war eben so unsere Art, wir hatten Spaß daran, uns gegenseitig verschlüsselte Botschaften zu schicken. Als ich vorgestern seine letzte E-Mail las, hatte ich keine Zeit, um es zu entschlüsseln. Es war schon spät, Nong Ding und ich mussten in den Tempel zurück. Also habe ich das heute Morgen nachgeholt. Da, ließ es selbst.«
»Das sieht auf den ersten Blick ja sehr
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